Ein süßer Traum (German Edition)
steckte, und wenn sie an einem erstarrten Rücken oder an einem nervös gehobenen Kopf sah, dass ihre Anwesenheit aufgefallen war, ging sie langsam die Treppe hinauf und hinterließ in der abgestandenen Luft den Duft von Blumen und teurem Gesichtspuder.
Frances lehnte sich aus dem Fenster, um nachzusehen, ob aus der Küche Licht auf die Treppe fiel: Ja, also waren alle da und warteten auf das Abendessen. Wer, heute Abend? Bald würde sie es erfahren. In diesem Moment kam Johnnys kleiner Käfer um die Ecke gebogen und parkte ordentlich ein, dann stieg Johnny aus. Und sofort lösten sich die albernen Träume aus drei Tagen auf, denn sie dachte: Ich bin verrückt gewesen, ich bin wahnsinnig gewesen. Wie bin ich bloß darauf gekommen, dass sich etwas ändern würde? Selbst wenn es den Film tatsächlich gab, würde es kein Geld für sie und die Jungen geben, wie gewöhnlich … Aber er hatte doch
gesagt
, dass der Vertrag unterschrieben war?
In der Zeit, die sie brauchte, einen Fuß vor den anderen zu setzen, am Schreibtisch stehen zu bleiben und die beiden verhängnisvollen Briefe zu betrachten, zur Tür zu gelangen und die Treppe hinunterzugehen – bei allem ließ sie sich Zeit –, waren die letzten drei Tage wie ausgelöscht. Sie würde nicht in dem Stück mitspielen, nicht mit Tony Wilde die gefährliche Intimität des Theaters genießen, und sie war ziemlich sicher, dass sie morgen an den
Defender
schreiben und die Stelle annehmen würde.
Unten angekommen, sammelte sie sich, und dann trat sie lächelnd in die offene Küchentür. Am Fenster stand Johnny und stützte sich mit ausgebreiteten Armen auf dem Fensterbrett ab, ganz der Draufgänger und – obwohl ihm das nicht bewusst war – ganz Abbitte leistend. Um den Tisch herum saß eine Versammlung junger Leute, und Andrew und Colin waren beide dabei. Alle sahen Johnny an, der sich gerade über irgendetwas ausgelassen hatte, alle bewunderten ihn, nur seine Söhne nicht. Sie lächelten wie die anderen auch, aber ihr Lächeln war bang. Die beiden wussten wie sie, dass das Geld, das er für heute versprochen hatte, ins Land der Träume entschwunden war. (Warum um alles in der Welt hatte sie ihnen das erzählt? Sie hätte es wissen sollen!) All das war schon vorgekommen. Und die beiden wussten genau, dass er jetzt kam, wo die Küche voller junger Leute war, damit er nicht mit Zorn, Tränen, Vorwürfen empfangen wurde – aber das war Vergangenheit und lange her.
Johnny breitete die Arme aus, die Handflächen ihr zugewandt, lächelte schmerzlich und sagte: »Der Film ist gegessen … die CIA …« Auf ihren Blick hin hielt er inne, schwieg und sah nervös seine beiden Jungen an.
»Macht nichts«, sagte Frances. »Ich habe ohnehin nichts anderes erwartet.« Daraufhin schauten die Jungen zu ihr hin; sie machten sich Sorgen um sie, und das vergrößerte Frances’ Selbstvorwürfe noch.
Sie stellte sich an den Herd, auf dem mehrere Gerichte bald den Augenblick der Wahrheit erreichen würden. Als hätte ihr Rücken ihn freigesprochen, setzte Johnny zu seinem üblichen Vortrag über die CIA an, deren Machenschaften diesmal dafür verantwortlich waren, dass der Film ins Wasser fiel.
Colin brauchte Fakten, um sich daran festzuhalten, unterbrach ihn und fragte: »Aber, Dad, ich dachte, der Vertrag …«
»Viel zu kompliziert«, sagte Johnny schnell. »Das verstehst du nicht … die CIA kriegt, was die CIA will.«
Sie blickte sich vorsichtig um und sah, dass Colins Gesicht verzerrt war vor Zorn, Verwirrung, Groll. Andrew wirkte unbekümmert wie immer, amüsiert sogar, aber sie wusste, dass er weit davon entfernt war. Diese oder ähnliche Szenen hatten sich in ihrer Kindheit ständig wiederholt.
In dem Jahr, als der Krieg begann, 1939 , hatten sich zwei hoffnungsvolle und unwissende junge Leute – wie die, die heute Abend am Tisch saßen – ineinander verliebt wie Millionen andere in den Krieg führenden Ländern, und sie hatten einander in die Arme geschlossen, um sich in der grausamen Welt zu trösten. Aber es war auch aufregend gewesen, die gefährlichste Begleiterscheinung des Krieges. Johnny führte sie in die Young Communist League ein, als er dort gerade ausschied, weil er erwachsen war, wenn auch noch kein Soldat. Er war so etwas wie ein Star, der Genosse Johnny, und er wollte unbedingt, dass sie das wusste. Sie hatte in den hinteren Reihen überfüllter Säle gesessen und zugehört, wie er erklärte, dass der Krieg imperialistisch sei und dass
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