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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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(sofern das möglich war), also würde er doch sicher gehen? Er ging nicht. Alle Weingläser auf dem Tisch waren voll. Johnny hatte zwei Flaschen Wein mitgebracht: der freigebige Johnny, der nie einen Raum betrat, ohne Wein zu spenden … Sie konnte die Galle nicht zurückhalten, die bitteren Worte, die ihr ungewollt auf der Zunge lagen. Geh doch weg, drängte sie ihn im Geiste. Geh doch.
    Sie hatte einen großen, sättigenden Wintereintopf aus Rindfleisch und Kastanien gekocht, nach einem Rezept von Elizabeth David, deren
French Country Cooking
aufgeschlagen irgendwo in der Küche lag. (Jahre später würde sie sagen, du lieber Gott, ich habe zu einer kulinarischen Revolution beigetragen und wusste es nicht.) Sie war überzeugt, dass die jungen Leute nirgendwo »richtig« aßen, außer an diesem Tisch. Andrew verteilte Kartoffelpüree, das sie mit Sellerie verfeinert hatte. Sophie teilte Eintopf aus, Rahmspinat und Butterkarotten wurden von Colin ausgegeben. Währenddessen stand Johnny da und sah zu und war für einen Moment still, denn niemand sah ihn an.
    Warum ging er nicht?
    An diesem Abend waren die am Tisch versammelt, die für Frances’ Begriffe Stammgäste waren: zumindest einige davon. Links von ihr saß Andrew, der sich großzügig bedient hatte, aber jetzt sein Essen ansah, als würde er es nicht wiedererkennen. Der Junge neben ihm war Geoffrey Bone, Colins Schulfreund, der seine Ferien bei ihnen verbrachte, seit sie sich erinnern konnte. Er komme mit seinen Eltern nicht zurecht, sagte Colin. (Aber wer tat das schon?) Zu seiner Linken hatte Colin sein rundes, gerötetes Gesicht seinem Vater zugewandt, ganz vorwurfsvolle Qual, und hielt dabei Messer und Gabel fest. Neben Colin saß Rose Trimble, die Andrews Freundin gewesen war, allerdings nur kurz: Er hatte obligatorisch sein Glück mit dem Marxismus versucht und war zu einem Wochenendseminar mit dem Titel »Afrika sprengt seine Ketten!« gefahren, und dort hatte er Rose kennengelernt. Ihre Affäre (war es eine gewesen? – sie war sechzehn) war zu Ende, aber Rose kam immer noch her, war im Grunde wohl eingezogen. Rose gegenüber saß Sophie, ein jüdisches Mädchen in der vollen Blüte ihrer Schönheit, schlank, mit schwarzen, schimmernden Augen, schwarzem, schimmerndem Haar, und wer sie sah, wurde unweigerlich heimgesucht von Gedanken an die wesenhafte Ungerechtigkeit des Schicksals. Und an die Imperative der Schönheit und ihrer Forderungen. Colin war verliebt in sie. Ebenso Andrew und auch Geoffrey. Neben Sophie und in jeder Hinsicht genau Geoffrey gegenüber, der auf so korrekte Weise gut aussah, englisch war, höflich, wohlerzogen, saß der stürmische und leidende Daniel, dem man gerade wegen eines Ladendiebstahls mit dem Verweis vom St. Joseph’s gedroht hatte. Er war stellvertretender Schulsprecher, und Geoffrey hatte ihm in seiner Funktion als Schulsprecher übermitteln müssen, dass er sich entweder zu bessern habe, oder aber … Eine leere Drohung natürlich, die den anderen Jungen klarmachen sollte, wie ernst das war, was alle taten. Dieser kleine Vorfall, den die weltklugen Kinder ironisch besprachen, war eine Bestätigung für die inhärente Ungerechtigkeit der Welt, wenn es denn eine brauchte, denn Geoffrey stahl ständig, aber es war schwer, dieses offene, bemüht höfliche Gesicht mit Missetaten in Verbindung zu bringen. Und noch etwas spielte mit: Daniel betete Geoffrey an, schon immer, und eine Ermahnung von seinem Helden war mehr, als er ertragen konnte.
    Neben Daniel saß ein Mädchen, das Frances noch nie gesehen hatte, aber sie nahm an, dass man sie bald aufklären würde. Das Mädchen war blond, gepflegt und wohlerzogen und hieß offenbar Jill. Rechts von Frances saß Lucy, die nicht auf das St. Joseph’s ging: Sie war Daniels Freundin vom Dartington Hall. Lucy, die oft vorbeikam, wäre an einer normalen Schule sicher Aufsichtsschülerin gewesen, denn sie war entschieden, gescheit, verantwortungsbewusst und zum Herrschen geboren, und sie sagte, dass progressive Schulen oder jedenfalls Dartington Hall zu bestimmten Leuten gut passten, während andere Disziplin brauchten, und dass sie am liebsten auf eine normale Schule mit Regeln und Vorschriften und Prüfungen gehen würde. Daniel meinte, das St. Joseph’s sei heuchlerische Scheiße, man predige Freiheit, schlage aber im Zweifelsfall mit der Moralkeule zu. »Zuschlagen würde ich nicht sagen«, erklärte Geoffrey allen freundlich, um seinen Gefolgsmann zu schützen,

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