Ein süßer Traum (German Edition)
ihm gute Stellen an in einem London, das sich nach dem Krieg wieder erholte. Er lehnte sie ab. Er wollte sich nicht kaufen lassen vom kapitalistischen System: Sein Denken, sein Glauben hatten sich nicht um ein Jota verändert. Genosse Johnny Lennox, wieder in Zivil, hatte nur eines im Sinn: die Revolution.
1945 wurde Colin geboren. Zwei kleine Kinder in einer erbärmlichen Wohnung in Notting Hill, das damals ein heruntergekommenes, armes Viertel von London war. Johnny war nicht oft zu Hause. Er arbeitete für die Partei, was damals so viel hieß wie für die Kommunistische Partei, oder besser gesagt, DIE PARTEI . Wenn zwei Fremde sich kennenlernten, ging das so: »Bist du auch in der Partei?« »Ja, natürlich.« »Das habe ich mir gedacht.« Will heißen: Du bist ein guter Mensch, du gefällst mir, also musst du in der Partei sein wie ich.
Frances trat nicht in die Partei ein, obwohl Johnny sie dazu aufforderte. Es sei schlimm für ihn, sagte er, eine Frau zu haben, die nicht eintreten wolle.
»Aber das weiß doch keiner«, warf Frances ein und trug so dazu bei, dass er sie verachtete, weil sie kein Gefühl für Politik hatte und nie haben würde.
»Die Partei weiß es«, sagte Johnny.
»Zu dumm«, sagte Frances.
Sie kamen eindeutig nicht miteinander aus, und die Partei war noch das wenigste, obwohl sie für Frances ein großes Ärgernis war. Schwerer jedoch war, dass sie wirklich Not litten, sie lebten geradezu im Schmutz. Für ihn war das ein Zeichen inneren Anstands. Wenn er von einem Wochenendseminar zurückkam, »Johnny Lennox über die Bedrohung durch die amerikanische Aggression«, hängte sie gerade die Kleider der Kinder zum Trocknen auf das wacklige Stangengerüst, das gefährlich locker an die Mauer vor dem Küchenfenster geschraubt war, oder sie kam aus dem Park, mit einem Kind, das an ihrer Hand zerrte, und dem anderen im Kinderwagen. Der Boden des Kinderwagens war dann voller Einkäufe, und am Kopfende steckte ein Buch, das sie hatte lesen wollen, während die Kinder spielten. »Du bist eine richtige Arbeiterfrau, Fran«, sagte er dann als Kompliment.
Er war entzückt, ganz im Gegensatz zu seiner Mutter. Wenn sie kam – und sie kündigte ihre Besuche immer an, auf dickem weißem Papier, an dem man sich schneiden konnte –, setzte sie sich voller Abscheu auf die Kante eines Stuhls, an dem wahrscheinlich verschmierte Reste von Keksen oder Orangen klebten. Dann verkündete sie: »Johnny, das kann so nicht weitergehen.«
»Und warum nicht, Mutti?«
Er nannte sie Mutti, weil sie das hasste.
»Deine Enkelkinder«, belehrte er sie dann, »werden dem Großbritannien des Volkes Ehre machen.«
In solchen Momenten achtete Frances darauf, Julia nicht in die Augen zu sehen, weil sie nicht illoyal sein wollte. Sie spürte, dass ihr Leben, ihr ganzes Leben ohne jeden Schick war, und sie selbst auch, hässlich und anstrengend, und Johnnys Unsinn gehörte auch dazu. Das würde aufhören, da war sie sicher. Es musste aufhören.
Und es hörte auf, denn Johnny verkündete, er habe sich in eine echte Genossin verliebt, ein Parteimitglied, und er ziehe zu ihr.
»Und wovon soll ich leben?«, fragte Frances, die schon wusste, was sie zu erwarten hatte.
»Ich zahle natürlich Unterhalt«, sagte Johnny, aber das tat er nie. Sie suchte sich einen städtischen Kinderhort und nahm eine Stelle in einer Firma an, die Theaterdekorationen und Kostüme machte. Die Arbeit war schlecht bezahlt, aber sie kam zurecht. Julia kam und beklagte sich, dass sie die Kinder vernachlässige und dass ihre Kleidung eine Schande sei.
»Vielleicht redest du mal mit deinem Sohn?«, sagte Frances. »Er schuldet mir ein Jahr Unterhalt.« Dann waren es zwei Jahre, schließlich drei.
Julia fragte, ob sie ihre Stelle aufgeben und sich um die Jungen kümmern würde, wenn sie anständigen Unterhalt von der Familie bekäme.
Frances sagte nein.
»Aber ich würde mich nicht einmischen«, sagte Julia. »Ich verspreche es dir.«
»Das verstehst du nicht«, sagte Frances.
»Nein, allerdings nicht. Aber vielleicht erklärst du es mir?«
Johnny verließ Genossin Maureen und kam zu ihr, Frances, zurück und sagte, er habe einen Fehler gemacht. Sie nahm ihn wieder auf. Sie war einsam, wusste, dass die Jungen einen Vater brauchten, und war ausgehungert nach Sex.
Abermals verließ er sie wegen einer echten, ernsthaften Genossin. Als er wieder zu Frances zurückkam, sagte sie zu ihm: »Raus.«
Sie arbeitete Vollzeit in einem Theater und verdiente
Weitere Kostenlose Bücher