Ein süßes Abenteuer
werde ich Sie darum bitten. Und nun müssen wir gehen, bevor irgendjemand unser Verschwinden bemerkt. Ich werde sofort nach Hause fahren. Am besten warten Sie noch eine Weile, bis Sie zu Mrs. Marchmont zurückkehren. Sie können ihr ja sagen, Sie hätten sich in den Fluren verlaufen.“
Widerstrebend stand Neville auf. Es fiel ihm schwer, sich von Diana loszureißen, denn sie hatte noch nie so begehrenswert ausgesehen wie jetzt, da sie in Gedanken versunken vor ihm saß.
„Diana?“, flüsterte er. Zum ersten Mal sprach er sie bei ihrem Vornamen an.
Sie hob den Kopf. „Ja, Neville?“
Was wollte er ihr eigentlich sagen? Zu dumm, dass er so wenig Erfahrung mit solchen Situationen hatte! Er versank förmlich in ihrem Blick, und als langsam ein Lächeln ihre Lippen umspielte, begann sein Herz wie wild zu pochen. Am liebsten hätte er sie gleich hier, auf der Stelle an sich gedrückt. Wenn er sich nicht zusammenriss, würde er bald völlig den Verstand verlieren!
„Nichts weiter“, brachte er hastig hervor. „Nehmen Sie sich in Acht. Sprechen Sie mit keiner Menschenseele über diese Angelegenheit. Ich habe das Gefühl, dass mehr hinter diesen Entführungen steckt, als wir bis jetzt ahnen.“
„Auch Sie müssen auf sich aufpassen“, erwiderte Diana. Im Stillen dachte sie, dass er etwas ganz anderes hatte sagen wollen, während er sie mit diesem sonderbaren, sehnsüchtigen Ausdruck betrachtete. Trotz ihrer geringen Lebenserfahrung spürte sie, dass sie in ihrer Beziehung eine unsichtbare Grenze überschritten hatten, und dass es kein Zurück mehr gab.
Des Weiteren spürte sie, dass hinter seiner ruhigen Fassade eine Menge aufgestaute Leidenschaft loderte. Wenn er sein wahres Wesen nicht länger verleugnen wollte, musste er seine gesamte Lebenseinstellung hinterfragen.
Verdankte sie ihre Menschenkenntnis etwa Charles, ihrem verstorbenen Gatten? Von ihm hatte sie viel über das Verhalten von Männern und Frauen gelernt, über die verschiedenen Listen, mit denen sie nicht nur andere, sondern auch sich selbst täuschten.
Falls er glaubte, dass sie ihn diese heikle Angelegenheit allein bewältigen lassen würde, irrte er sich gewaltig. Belinda stand in ihren Diensten, sie trug die Verantwortung für das junge Mädchen, daher wollte sie sich unbedingt an der Suche beteiligen. Ihr würde schon eine Möglichkeit einfallen. Wie jedes Mal, wenn sie vor einem Problem stand, begann sie zu überlegen, was Charles in einem solchen Fall getan hätte.
Zügigen Schrittes ging Neville zu seinem Haus in Chelsea, wo Lem sich nun aufhielt. Aus irgendeinem Grund sehnte er sich nach körperlicher Bewegung. In letzter Zeit schien es ihm, als ließen ihn sämtliche Regeln, die er von Kindesbeinen an befolgt hatte, im Stich. Sie boten ihm keinerlei Richtlinien mehr für sein Handeln.
Früher wäre es ihm nicht im Traum eingefallen, Lem in irgendeiner Angelegenheit um Rat zu fragen. Wahrscheinlich hätte er die Vorstellung, er könne von einem Dienstboten noch etwas lernen, als lächerlich empfunden. Doch allmählich wurde ihm klar, dass Lem und seinesgleichen oft eine gewisse Lebensklugheit besaßen, die Gentlemen wie seinem Vetter George oder Frank Hollis völlig abging.
Verhielt er selbst sich nicht höchst leichtsinnig, indem er trotz der späten Stunde seine Kutsche nach Hause schickte und die letzte Strecke seines Wegs zu Fuß zurücklegte? Kaum fuhr ihm dieser Gedanke durch den Kopf, da beschlich ihn das Gefühl, dass er verfolgt wurde. So unauffällig wie möglich blickte er hinter sich, konnte jedoch niemanden entdecken. Vermutlich sehe ich seit meinem Gespräch mit Sir Stanford Markham vor lauter Verdächtigungen Gespenster, dachte er.
Aber da irrte er sich. Es war kein Gespenst, das ihn im nächsten Augenblick niederschlug, sondern ein großer, stämmiger Mann. „Nun passen Sie gut auf“, zischte er, während er Neville beim Kragen packte und vom Boden hochzog. „Bleiben Sie in Ihren eigenen Kreisen, und mischen Sie sich nicht in fremde Angelegenheiten ein. Ich warne Sie zum ersten und letzten Mal! Wenn Sie nicht aufhören, Ärger zu machen, werde ich dafür sorgen, dass der Nachtwächter Ihre Leiche von der Straße auflesen muss. Heute kommen Sie noch mal mit dem Leben davon.“
Dann stieß er Neville von sich, sodass dieser gegen eine Hauswand prallte und erneut zu Boden sank. Während er sich mühsam aufrichtete, verschwand der Fremde bereits in der Dunkelheit.
Jetzt wusste Neville zumindest, dass er sich
Weitere Kostenlose Bücher