Ein süßes Abenteuer
er vor der Eingangstür Wache stand, und da konnte ich einen Blick in das bewusste Zimmer werfen. Glücklicherweise hat mich niemand erwischt. In dem Raum stehen bloß ein langer Tisch, ein paar Stühle und zwei abgeschlossene Schränke, die ich in der Eile nicht aufbrechen konnte.“
„Und weiter?“
„Nun ja, an einem Abend hat Toby sich die Herrschaften mal etwas genauer angesehen und einen von ihnen wiedererkannt. Der Mann nennt sich Captain Knighton, aber ich bezweifle, dass er je beim Militär gedient hat.“
„Captain Knighton? Derselbe, der die Unruhen bei Spa Fields geschürt hat?“
„Jawohl, und der anschließend nach Frankreich fliehen musste, um sich der Verhaftung zu entziehen.“
„Über die vermissten Mädchen haben Sie wohl nichts herausgefunden?“
„Nein. Ich habe nach ihnen gefragt – sehr diskret, versteht sich –, aber keine Antwort bekommen. Wenn mir mein Leben lieb sei, sollte ich den Mund halten, hieß es bloß.“
Im Grunde wissen wir nicht mehr als zuvor, dachte Neville missmutig. Jackson jedoch schien sich sehr für Captain Knighton zu interessieren und entlohnte seinen Informanten mit einem kleinen Geldbeutel voller Münzen. „Danke. Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung“, sagte Thad, während er die Börse einsteckte. Dann trank er sein Ale aus und verließ die Spelunke.
„Was nun?“, erkundigte sich Neville.
„Jetzt gehen wir zu Madame Josette, brechen ins Haus ein und suchen das Zimmer mit den Schränken“, erklärte Jackson.
Wir. Das heißt, ich soll auch mitkommen. „Gerade eben haben Sie aufgehorcht, als Captain Knightons Name fiel. Mir sagt der Name nichts, aber Ihnen offensichtlich schon.“
„Gut beobachtet. Ich könnte wetten, dass er irgendeine Verschwörung plant, auch wenn er höchstwahrscheinlich nicht zu der Entführerbande gehört. Deswegen möchte ich zu gerne wissen, mit wem er sich in dem Etablissement trifft, und ob es sich um dieselben Personen handelt, nach denen wir suchen.“
„Erzählen Sie mir mehr über ihn.“
„Er ist ein ehemaliger Soldat, der hier eine Revolution anzetteln will, mit einer Guillotine auf dem Trafalgar Square und allem Drum und Dran. Vor einigen Jahren musste er aus England fliehen, weil man ihn verdächtigte, mitten im Krieg gegen Napoleon Umsturzpläne gegen unsere Regierung zu schmieden. Im letzten Augenblick wurde er verraten, also ging er ins Exil – allerdings nicht dauerhaft, wie damals alle dachten.“
„Besteht die Möglichkeit, dass er es noch einmal versucht? Gerade jetzt dürfte es ihm nicht schwerfallen, die Bevölkerung aufzuwiegeln. Denken Sie an die Missernten der vergangenen Jahre, an die Unruhen in den Midlands und an die vielen Soldaten, die nach dem Krieg sang- und klanglos entlassen wurden und nun ohne Arbeit dastehen.“
„Gut möglich, dass Knighton Unterstützung findet. Es gibt genügend herausragende Männer, die einen Groll gegen die Regierung hegen, weil es ihnen an Geld oder Einfluss fehlt.“
„Mit unserem Fall scheint das alles jedoch nichts zu tun zu haben.“
„Wer weiß? Wer die herrschende Oberschicht zu Fall bringen will, der verdirbt zuerst ihre Moral …“ Nach einer Kunstpause fügte Jackson grinsend hinzu: „Machen wir uns an die Arbeit, Ned Springer!“
Hol’s der Teufel! Ich stecke ohnehin schon bis zum Hals in einem gefährlichen Abenteuer, dachte Neville. Wenn wir bei unseren Ermittlungen gegen die Mädchenhändler auch noch ein paar Verräter fangen, umso besser.
„England erwartet, dass jeder Mann seine Pflicht tut“, zitierte er und grinste ebenfalls. „Bitte sehr, nach Ihnen.“
Während Neville einen aufregenden Abend erlebte, musste Diana ein langweiliges Diner bei Lady Leominster erdulden. Als Tischherren hatte man ihr ausgerechnet Henry Latimer und Prinz Adalbert zugeteilt, zwei Gentlemen, die sie sonst nach Möglichkeit mied. Prinz Adalberts entfernte Verwandtschaft mit dem Prinzregenten, durch dessen berüchtigte Gemahlin, Prinzessin Caroline, entschädigte sie noch lange nicht für dieses doppelte Pech.
Welchen der beiden sie unsympathischer fand, konnte sie wahrhaftig nicht sagen. Jedes Mal, wenn sie dem Prinzen begegnete, lag ihr die Frage auf der Zunge, weshalb er seine Untertanen in Eckstein Halsbach durch seinen langen Aufenthalt in London so sträflich vernachlässigte.
Natürlich wusste sie, dass er nur wegen ihres Vermögens um sie warb, und bei Henry Latimer vermutete sie dasselbe. Den Gerüchten zufolge besaß er keinen
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