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Verscharrt: Thriller (German Edition)

Verscharrt: Thriller (German Edition)

Titel: Verscharrt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Jonge
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KAPITEL 1
    Darlene O’Hara sitzt zu Hause auf dem Teppich und starrt ihren einundzwanzigjährigen Sohn an, der ausgestreckt auf dem Sofa liegt– am einen Ende der rote Bart, am anderen baumeln seine käsigen Füße. Vor zwei Stunden stand Axl Rose O’Hara plötzlich vor der Tür ihrer Wohnung in der Bronx. Er stellte seine viel zu voll gestopfte Schultertasche und die Fender Stratocaster ab und verkündete, er habe weltbewegende Neuigkeiten, woraufhin er sich auf die Couch legte und prompt einschlief. Und während der ruhige Sonntagnachmittag nun in einen noch ruhigeren Abend übergeht, späht O’Hara heimlich zu ihm rüber und staunt, wie viel Freude es ihr macht, ihren großen, schönen Jungen im Schlaf zu betrachten.
    Wegen der hohen Flugkosten war Axl, der an der University of Washington kurz vor dem Abschluss steht, seit fünf Monaten nicht mehr in New York. Die Tatsache, dass er sich in seinem alten Zuhause so wohlfühlt, dass er schon nach wenigen Minuten zu schnarchen beginnt, ist an sich schon erfreulich. Aber zu wissen, dass er gesund und munter ist und nicht in Gefahr, noch besser. Wann hat die Mutter eines ein Meter neunzig großen jungen Mannes schon diese Gewissheit, es sei denn er schläft gerade zwei Meter von ihr entfernt auf einer Wohnzimmercouch? Und dazu kommt noch: Solange Axl im Reich der Träume weilt, kann sie seine Anwesenheit ganz entspannt genießen. Sie muss sich keine Sorgen machen etwas Falsches zu sagen, oder etwas Richtiges, aber im falschen Ton, oder etwas halbwegs Richtiges, aber zum falschen Zeitpunkt, und sie muss auch nicht mit ansehen, wie er das Gesicht verzieht, als hätte er gerade in etwas Ranziges gebissen. Nein, besser geht’s nicht, das weiß sie: Der Sohn schläft, und die Mutter sieht ihm dabei zu.
    Axl zuckt und räkelt sich, und während sich ihr Terriermischling Bruno in eine neue Nische an seiner Seite schmiegt, stellt O’Hara erstaunt fest, wie gut ihr Sohn geraten ist. Ein kleines Wunder, wenn man bedenkt, dass sie fünfzehn Jahre alt war, als er auf die Welt kam, und das Schicksal zusätzlich noch herausforderte, indem sie ihn nach ihrem Lieblingsfrontmann benannte. O’Hara macht sich nichts vor. Sie weiß, dass sie das vor allem ihrer Mutter zu verdanken hat, und da sie selbst es gerade mal auf eins zweiundsechzig bringt, hat Axl ganz gewiss auch seine Körpergröße nicht von ihr, sondern von dem Bronxcasanova, der sie damals geschwängert hatte. Aber trotzdem. Irgendwas muss sie richtig gemacht haben.
    Sechs Stunden später macht Axl immer noch keine Anstalten aufzuwachen. O’Hara deckt ihn mit einer leichten Decke zu und lockt Bruno von ihm weg, um Gassi zu gehen. O’Haras Wohnung befindet sich im obersten Stock eines Dreifamilienhauses in Riverdale, knapp eine Meile vom Hudson entfernt, und als sie und Bruno an einem leeren Spielplatz vorbeigehen, saugt der Hund mit seiner gummiartigen Schnauze die Gerüche der Sommernacht auf. Erst unten am Fluss nimmt sie ihn an die Leine und macht wieder kehrt. Obwohl O’Hara gespannt ist, was Axl ihr mitzuteilen hat, macht sie sich keine allzu großen Sorgen. Was einem Einundzwanzigjährigen weltbewegend erscheint, ist meistens nur halb so wild, und aufgrund der Gitarre vermutet sie, dass es mit seiner Musik zu tun hat. Zwei Wochen zuvor hat Axl ihr eine Datei mit drei Songs gemailt, die er auf einem der Klos in seinem Wohnheim aufgenommen hatte, und er hat auch schon mal davon gesprochen, eine Band gründen zu wollen. Vielleicht haben sie einen Auftritt bekommen. Wenn ja, dann wird sie ihren ehemaligen Partner Krekorian anrufen, der mittlerweile beim Raubdezernat arbeitet, und noch ein paar alte Freunde aus dem Siebten zusammentrommeln.
    Als O’Hara und Bruno oben auf dem Hügel ankommen und die drei Treppen hinaufsteigen, hat sich Axl noch immer nicht gerührt, und auch am nächsten Morgen nicht. Das sind knapp fünfzehn Stunden ohne Unterbrechung, aber wer weiß, wie lange der Junge vorher auf den Beinen war. Also geht sie wieder mit Bruno raus. Als sie dieses Mal zurückkommt, hat Axl nicht nur das Sofa verlassen, sondern auch schon Kaffee gekocht. Und nicht nur das, er schenkt ihr sogar eine Tasse ein.
    » Darlene, ich hab eine Band gegründet. « Aufgrund ihres relativ geringen Altersunterschieds nennt Axl seine Mutter immer schon lieber beim Vornamen.
    » Das ist toll. Mir haben die Songs echt gefallen. Kein Scheiß. «
    » Wir heißen The Flat Screens. «
    » Gefällt mir auch. «
    » Gut « , sagt Axl.

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