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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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hier einen Mann, der angeschossen wurde.«
    Als sie telefoniert hatte, nahm sie seine Hand. Zuerst erwiderte er den Druck, doch am Ende wurde sie ganz schlaff.

3
    Es war Klaustrophobie in Vollendung.

    Donnerstag, 12. März 2009
    Finsbury Park, Nord-London
    22.30 Uhr
    Bryony Weaver schob sich tiefer ins Bett. Das Laken strich ihr über die nackten, frisch rasierten Beine und hüllte sie ein. Wunderbares Gefühl, dachte sie.
    Erst vor einer halben Stunde war sie die Konturen ihrer Waden und Knie mit einer Klinge entlanggefahren und hatte sich versehentlich geschnitten. Zweimal. Wie jedes Mal. »Scheiße, Scheiße, Scheiße   …«, hatte sie geflüstert, wenn sie merkte, wie die Schneide an einem Stückchen Haut hängenblieb und es säuberlich abtrennte. Nicht schon wieder   … Eine Schramme hatte sie unter dem Knie, die andere gleich über dem linken Fußgelenk.
    Die Zeit, bis die kleinen Schnitte zu bluten aufhörten, war ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen   – und Bryony kam es vor, als hätte sie eine ganze Rolle Klopapier verbraucht. Danach hatte sie sich ein schwarzes Unterhemd und karierte grüne Shorts angezogen   – die sie immer an die Tapeten amerikanischer Mädchen in Teenagerfilmen erinnerten   – und das lange, dichte Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Im Nacken spürte sie den Luftzug, der durch das offene Schlafzimmerfenster hereinkam.
    Sie schmiegte sich noch ein wenig tiefer ins Bett und spürteden kühlen Stoff der Daunendecke. Ohne Max erschien ihr das Bett wie eine unendlich weite Landschaft. War er zu Hause, weckte er sie ständig mit einem fliegenden Arm oder einem sanften Kopfstoß, wenn er sich von seinem letzten Auftrag träumend hin und her wälzte. Seine Arbeit war so vielfältig und manchmal so erschreckend und intensiv, dass er nie richtig abschalten konnte. Seit er die Stelle als Kameramann beim Fernsehen angetreten hatte, träumte er sehr lebhaft. Gerade war er noch auf den Fidschi-Inseln und filmte Prominente, wie sie lebendige Insekten aßen, und im nächsten Moment hetzte er durch ein leerstehendes Lagerhaus irgendwo in Afrika und machte wichtige Aufnahmen für seine neueste Dokumentation. Egal, wann er nach Hause kam, ihm ging noch eine ganze Weile lang alles Mögliche durch den Kopf, wie die flackernden Bilder auf einem Zoetrop. Er lebte für seine Arbeit   – sie war das Einzige auf der Welt, was er beinahe so sehr liebte wie Bryony Weaver.
    Wenn Max da war und das Zimmer mit dem Geruch des Rasierwassers füllte, das er benutzte, seit er neunzehn war, kam es Bryony oft so vor, als erstickten sie in der Gegenwart des anderen. Sie mochte es allerdings so. Es war Klaustrophobie in Vollendung.
    Irgendwie fühlte es sich merkwürdig an, allein zu sein   – dabei hätte sie es eigentlich gewöhnt sein müssen. Früher war Max viel auf der ganzen Welt unterwegs gewesen. In letzter Zeit filmte er jedoch tagsüber in Londoner Studios.
    Sie nahm ihr Handy und scrollte zu der letzten SMS , die er ihr am Morgen gesendet hatte:
»Filmen heute Abend in West-London, verdammte Anweisung in letzter Sekunde. Tut mir leid, Schönheit. Bin morgen früh wieder da. Guck mal in den Kühlschrank, unterstes Fach. Liebe dich. Maximus X.«
    Bryony streckte die Hand nach dem Nachttisch aus, den sie mit trendigem Papier dekoriert hatte, das Max nicht leidenkonnte, und hob einen kleinen blauen Beilagenteller herunter. Darauf war ein Leckerbissen, den Max ihr mitgebracht und als Überraschung im Kühlschrank versteckt hatte. Zitronenkuchen. Ihre Leibspeise.
    Sie senkte die Zähne hinein. Die Glasur splitterte, dann drang sie in den weichen Teig darunter vor und schmeckte intensiv bitteres Zitronenaroma. Es war fünf Minuten nach halb elf am Donnerstagabend, und sie konnte tun und lassen, was sie wollte. Auch wenn sie Max nun vermisste, sie wusste, dass sie sich nach dem Alleinsein sehnen würde, wenn er erst wieder da war und seinen üblichen Unsinn anstellte   – wie etwa zu versuchen, seine Sachen auf dem Bett zu bügeln, weil er keine Lust hatte, das Bügelbrett aufzustellen.
    Als sie den Kuchen zu Ende gegessen hatte, stellte sie den Teller wieder auf den Nachttisch und tastete nach ihrem Buch. Nachdem sie einige gestreifte Kissen in ihrem Rücken aufgebaut hatte, schob sie die Finger zwischen die Seiten von George Orwells 1984 . Das Buch war eine wirklich alte Ausgabe, genau, wie Bryony es mochte: Es war voller Teeflecke, und es roch nach Zigaretten   – ein Geruch, den man in

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