Ein Tag, zwei Leben (German Edition)
aber er schwieg. » Du kannst genauso gut sagen, dass du mir immer noch nicht glaubst.«
Seine Hand legte sich seitlich auf mein Gesicht, sodass es nach hinten geneigt wurde, seine Finger krallten sich in meinen Nacken. » Das heißt es nicht. Ich will nur, dass du mir diese Übersetzung bringst.«
Seine Augen wurden weicher und ich konnte irgendwie meinen Blick nicht davon losreißen. So verharrten wir, seine Hand auf meinem Gesicht, und bevor ich noch wusste, was ich tat, schlang ich meine Arme um ihn. Ich musste ihn festhalten, wenn auch nur dieses eine Mal.
Ich brachte kaum ein Flüstern zustande. » Ethan, es ist fast Mitternacht. Was ist es, was du mir nicht sagen konntest?«
Er schüttelte den Kopf. » Ich weigere mich zu glauben, dass du deine endgültige Entscheidung getroffen hast, aber du musst sie zuerst treffen. Ich will nicht, dass dich das beeinflusst.« Er holte tief Luft. » Und ich wünschte von ganzem Herzen, ich wäre nicht so selbstsüchtig, aber … Sabine?«
Mein Blick huschte zur Uhr. Seiner ebenfalls. Eine Minute bis Mitternacht.
» Was?«
» Tu’s nicht.«
» Was soll ich nicht tun?«
» Tu’s nicht heute Nacht … mit Dex. Tu’s nicht. Komm zurück zu mir, Sabine. Gott vergebe mir, aber … ich liebe dich.« Seine Hand wanderte um meinen Nacken herum und er zog mich zu sich; seine Lippen suchten hungrig die meinen, während er mich so fest packte, dass ich spürte, wie seine Arme bebten. Er küsste mich auf eine Art und Weise, wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Ich küsste ihn, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.
Ich hätte nie gedacht, dass ein einziger Kuss alles zunichtemachen kann.
Ich stillte sein Verlangen mit meinem, bis ich dachte, ich würde wegen der schieren Stärke meiner Begierde explodieren.
Stattdessen vollzog ich – ganz in diesen Moment versunken – den Wechsel.
24 – Wellesley, Montag – Abschlusstag
Ich rollte vom Bett, suchte nach Ethans Armen, bis ich merkte, dass er nicht hier war. Und ich nicht dort. Mein harter Aufschlag auf dem Boden unterstrich diese Tatsache noch.
Ich ließ mich auf den Rücken fallen und blieb liegen, starrte an die dunkle Decke und versuchte, mich daran zu erinnern, wie man atmete, wie man existierte. Aber wie konnte ich das? Das Leben, das ich kannte, hatte sich in jeder Hinsicht verändert. Ich wusste nicht, ob es reichte, wenn ich einfach so atmete wie immer; ich wusste nicht, ob noch irgendetwas auf demselben Spielfeld stattfand. Ich meine, Ethan hatte gesagt … und dann hatte er … und ich hatte … und es war … und jetzt …
Was?
Die Realität holte mich in Form eines weiteren schnellen Gedankens ein.
War es möglich?
Spielte Ethan noch immer mit mir?
Behandelte er mich gegen eine Krankheit, die ich seiner Meinung nach hatte?
Ich wollte es nicht glauben, aber trotz allem, was er gesagt, angedeutet, getan hatte – hatte er mir immer noch nicht diese eine Sache gesagt, von der er wusste, dass sie alles ändern würde, die Sache, die ich brauchte und mehr als alles andere auf der Welt hören wollte.
» Ich liebe dich« sind zugegebenermaßen die Worte, die die meisten Mädchen hören wollen, aber was sagten sie schon aus? Ich möchte Zeit mit dir verbringen, ich möchte dir nah sein, ich mag dich. Doch selbst diese gewichtigen Worte gaben mir immer noch nicht das, was ich von ihm brauchte.
Nichts von dem, was er zu mir gesagt hatte, war zu entnehmen, dass er, Ethan, mir glaubte.
Die Uhr tickte.
Das wusste er genauso gut wie ich. Er hatte seine Gedanken zu diesem Thema klar geäußert. Er dachte, dass ich mich irrte und einen Fehler machte. War das seine Art, mich unter Zugzwang zu bringen? Und wenn ja, würde ich mich einfach von ihm an der Hand nehmen lassen?
Ich starrte an die Decke und wünschte mir zu verstehen, was da gerade mit mir geschah. Wünschte, ich könnte zurückkehren und sehen, wie er mich nach diesem Kuss anschaute. Ich glaube, dann hätte ich es gewusst.
Aber das konnte ich nicht und heute war der Tag meines Schulabschlusses.
Und immer noch nicht konnte ich seine Worte vergessen. Nicht ich.
Tränen traten mir in die Augen. Seit ich Ethan begegnet war, gerieten meine Welten immer mehr außer Kontrolle. Vielleicht war er das Problem – der Teil, der nicht hineinpasste. Vielleicht war von ihm wegzukommen die Lösung.
Ich wischte mir die Tränen ab und zwang mich dazu, mit dem Weinen aufzuhören. Heute war nicht der Tag für verschwollene Augen. Aber schlafen stand
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