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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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ich, weil mir keine anderen Worte einfielen, erstarrt im Niemandsland. Ich weiß nicht, wie lange ich dort mit offenem Mund stand, aber schließlich drehte ich mich um, ging zurück in mein Zimmer und unternahm den irgendwie lächerlichen Versuch zu schlafen.
    Doch in diesen betäubten und verwirrten Augenblicken … der Same eines Gedankens war gesät und hatte angefangen zu wachsen. Ich versuchte mich zu bremsen. Versuchte, ihn auszublenden.
    Und scheiterte.
    Um sieben Uhr stand ich auf und ging in die Küche.
    Ich hörte Mom in der Dusche vor sich hin summen. Da wir uns alle das einzige Bad unten teilten, beschloss ich, schon mal das Frühstück vorzubereiten, während ich wartete. Heute war Samstag, deshalb hatte ich wenigstens keine Schule. Vier-Tage-Wochenenden zu haben, war nicht der schlechteste Teil meines Doppellebens.
    Teils für Maddie, teils um das Bild von Dex und mir vor dem Wechsel zu verdrängen, rührte ich eine Pancake-Mischung zusammen. Schon bald war Mom auch in der Küche, briet Speck an und hielt mir die Schüssel, während ich versuchte, mit meinem gesunden Arm zu rühren.
    Als Maddie in die Küche geschlurft kam, saßen Mom und ich schon vor unseren Pancakes; Maddies Pancake stand noch auf dem Herd. Mom stellte den Teller vor Maddie und schenkte ihr Apfelsaft ein. Maddie lächelte wortlos und fing an zu essen. Sie war ein Morgenmuffel. Vor allem deshalb, weil sie die halbe Nacht herumspionierte. Ich ging unter die Dusche und zog mich an, wobei ich mich für einen dunkellila Stretch-Minirock und ein ärmelloses graues Trikotoberteil entschied, um Knöpfe zu vermeiden. Trotzdem musste ich Mom darum bitten, mir die Stiefel zu schnüren. Sie schlug vor, ich könnte mir ein Paar von ihren Pantoletten borgen. Ich fragte sie, ob sie high wäre. Daraufhin bedachte sie mich mit ihrem typischen Mom-Grinsen und schnürte mir die Stiefel.
    Zum Essen saßen wir immer in der Küche. Wir hatten zwar ein Esszimmer, aber Mom und Dad hatten es bis unter die Decke mit Waren für den Laden vollgestopft. Sie bestanden darauf, en gros einzukaufen, damit sie von den Zulieferern bessere Preise bekamen – auch wenn das bedeutete, dass das beste Zimmer im Haus mit Toilettenpapier und Windeln zugestellt war.
    Mir machte das nichts aus. Es wirkte sogar heimeliger, auch wenn die Küche unser heruntergekommenster Raum war. Wäre es nach mir gegangen, würden meine Eltern mein Collegegeld nehmen und damit das Haus ein wenig aufmöbeln. Aber sie würden meinen Vorschlag nicht akzeptieren. Mom würde das als Respektlosigkeit bezeichnen und Dad würde mir einfach vorwerfen, ich würde mein » Potenzial« nicht ausschöpfen. Er war große Klasse darin, Maddie und mir zu erzählen, dass wir mehr aus uns machen könnten. Und mir entging nie die unterschwellige Botschaft: Ihr seid nicht gut genug.
    » Braucht ihr heute Hilfe?«, fragte ich, als ich wieder am Tisch saß. Normalerweise hasste ich es, im Drogeriemarkt zu helfen; es war eine Arbeit, bei der man am liebsten den Kopf gegen die Wand schlagen würde – nichts als alte Damen, denen man zeigen musste, wo es zu den lila Haartönungen geht. Doch heute hatte ich Hintergedanken.
    Mom nickte. » Heute Morgen ein paar Stunden. Maddie geht rüber zu Mrs Jefferies, um mit Sara zu spielen, und ich hatte gehofft, Dad könnte sich einen Tag freinehmen.«
    Ich tunkte den Rest meines Ahornsirups mit meinem Pancake auf und nickte. » Kein Problem. Capri und ich wollten uns im Einkaufszentrum treffen, bevor sie anfängt zu arbeiten, deshalb kann ich gegen neun da sein.«
    Mom stand auf und fing an, den Tisch abzuräumen, beide ignorierten wir Maddie, die schweigend weiter ihr Frühstück verzehrte. Sie holte tief Luft. » Manchmal weiß ich nicht, was ich ohne euch machen würde«, sagte sie leise. Dann schnaubte sie und fügte mit ihrem üblichen Pragmatismus hinzu: » Pass auf, dass ihr nicht unter die Räder kommt, du und Capri.«
    Ich lächelte unbehaglich, während ich meinen Rucksack schnappte und zur Tür ging. » Bis später.« Als ich an Maddie vorbeikam, verzauste ich ihre Haare. » Lass Sara nicht wieder zu hoch auf den Baum klettern, Kleines.« Letztes Mal hatte Mrs Jefferies eine Dreiviertelstunde gebraucht, um hinaufzuklettern und Sara herunterzuholen.
    Maddie gab ihr übliches Acht-Uhr-morgens-Grunzen von sich und schob sich ein Stück Speck in den Mund, doch als ich an der Haustür war, schrie sie: » Darf ich heute Nachmittag immer noch auf deinen Gips

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