Ein Tag, zwei Leben
nicht nett war. Sie ignorierte das und schloss mich in dem Zimmer ein. Ich machte mir nicht die Mühe, an der Tür zu rütteln – ich wusste, dass sie entweder abgeschlossen war oder dass die Pflegerin auf der anderen Seite wartete. Stattdessen zog ich einen der wackeligen Korbstühle ans Fenster und setzte mich, das Gesicht der Sonne zugewandt. Das war ein strategischer Schachzug. Ich war nicht bereit, mich Dr. Levi gegenüberzusetzen, damit er die Besprechung – oder mich – kontrollieren konnte. Ich hatte eine bestimmte Geisteshaltung in diesem meiner Leben, und das hatte ich vergessen gehabt. Ich musste mir ins Gedächtnis rufen, wer ich hier war. Mit diesem Gedanken im Kopf lehnte ich mich zurück, schwang meine Füße auf das Fensterbrett und schloss die Augen.
Die Wärme der Sonne war gerade dabei, mir in die Knochen zu kriechen, als die Tür aufging und jemand hereinkam. Ich zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern hielt das Gesicht weiter dem Fenster zugewandt.
» Wie ich sehe, hast du den Weg in mein Büro gefunden«, sagte Dr. Levi, während er sich durch den Raum bewegte.
Ich zuckte mit den Achseln und hielt ansonsten meine Position bei. » Haushaltskürzungen, was?«
Er lachte kurz auf. » Mir gefällt es so. Man kann sich auf das Wesentliche konzentrieren.«
» Was ist das? Das Raum-Echo?«
» Nicht direkt.« Ich hörte, wie der andere Stuhl knarrte, als er sich setzte. » Was glaubst du, sollte in diesem Zimmer das Wesentliche sein?«
Jetzt ging’s los.
Ich beschloss, dass dieser Zeitpunkt so gut wie jeder andere war, um abzuschalten. Ich verschränkte die Arme über der Brust.
Nach einem langen Schweigen seufzte Dr. Levi. » Na schön, Sabine. Wie ich sehe, bist du heute nicht in Plauderstimmung.«
Daran würde er sich gewöhnen müssen.
» Würdest du mir gern etwas über dein anderes Leben erzählen, Sabine? Ich würde gern etwas darüber hören. Alles, was du in diesem Raum sagst, wird unter uns bleiben.«
Ja, klar. Ich sah schon vor mir, wie das enden würde. Ich würde wieder am Bett festgeschnallt. Das würde nicht passieren.
Eins musste ich Dr. Levi lassen – er schien nicht überrascht zu sein. Ich hörte, wie er sich von seinem Korbstuhl erhob, dann hörte ich ein zischendes Geräusch und einen Aufprall. Ich zwang mich, nicht hinzuschauen. Würde er tatsächlich die ganze Stunde lang Darts spielen wollen?
Ja. Genau das tat er.
Ich für meinen Teil blieb auf meinem Platz am Fenster. Erst als die zischenden Geräusche aufhörten, klappte ich ein Auge auf und sah in seine Richtung.
» Vielleicht können wir morgen reden«, sagte er und ließ die Dartpfeile auf seinen Stuhl fallen. Er lächelte. » Oder vielleicht versuchst du dein Glück und trittst beim Dartspielen gegen mich an.«
Als ich nicht reagierte, zuckte er mit den Achseln. » Wir sehen uns morgen, Sabine. Heute Abend kommt Ethan vorbei, um nach dir zu sehen. Hast du etwas dagegen, wenn er seine Notizen an mich weiterreicht?«
Schweigen.
Dr. Levi klickte ein paarmal mit seinem Stift. » Tut mir leid, Sabine, aber auf diese eine Frage brauche ich eine Antwort, bevor du das Zimmer verlässt.«
Ich schloss wieder die Augen und wünschte mir, dass die Besprechung zu Ende wäre. » Es ist mir egal, was er Ihnen erzählt«, murmelte ich.
Er kritzelte etwas auf das ansonsten leere Blatt auf seinem Klemmbrett und öffnete die Tür. » Macie, würden Sie Sabine bitte zurück auf ihr Zimmer bringen?«
» Selbstverständlich, Dr. Levi«, erwiderte Macie und kam auf mich zu. » Gehen wir, Sabine.«
Ich sog ein letztes Mal die sonnenwarme Luft ein und stand auf, um ihr zu folgen.
Während wir durch den Flur gingen, beobachtete sie mich sorgfältig, als würde sie erwarten, dass ich türmte. Ehrlich gesagt zog ich das in Erwägung.
» Man wird dir ein frühes Mittagessen bringen. Möchtest du das Bad benutzen, bevor du zurück aufs Zimmer gehst?«, fragte sie ausdruckslos.
Ich seufzte, sagte aber: » Okay.«
Das Badezimmer erinnerte mich an die Sporthalle unserer Schule. Offene Duschkabinen und eine Reihe Toiletten. Ich ging schnurstracks auf eine der Toilettenkabinen zu.
» Du darfst die Tür nicht abschließen«, sagte Macie und stellte sich an die Waschbecken.
Ich starrte sie an.
» Du kannst die Tür hinter dir zuziehen«, erklärte sie. » Aber wenn ich es für notwendig halte, werde ich sie jederzeit aufmachen. Solange du in der SP bist, wird nicht abgeschlossen. So lauten die Regeln.«
Ich biss die
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