Ein toedlicher Plan
Krankenhausbett, sah sich ununterbrochen im Fernsehen irgendwelche Shows an und bekam von Zeit zu Zeit ein schlechtes Gewissen angesichts der vielen schönen Blumen, die so liebevoll arrangiert waren, um das Grau aus ihrem Zimmer zu vertreiben. Sie hatte nämlich schon ganz vergessen, dass ihre Freunde über ihr mögliches Dahinscheiden sehr betrübt sein mussten. Ihren Eltern hatte sie mitgeteilt, dass ihr Zustand nicht so kritisch sei, wie es offiziell hieß, aber abgesehen von Reece wusste niemand, dass sie längst über den Berg und den Umständen entsprechend wohlauf war. Anwälte und Kollegen hatten Dutzende von Genesungskarten und Rosen, Narzissen, Hyazinthen und andere Blumen im Gesamtwert von mehreren hundert Dollar geschickt (sie registrierte mit einem zynischen Lächeln, dass der billige Nelkenstrauß von Donald und Vera Burdick stammte).
Lange konnte sie das Spielchen allerdings nicht mehr treiben. Schon heute Nachmittag sollte sie entlassen werden, und sie sagte sich, dass Burdick sich bestimmt schon fragte, warum ihre Eltern noch nicht nach New York gekommen waren, um alles für die Beerdigung vorzubereiten, oder wieso niemand sie sehen durfte, wenn sie doch im Koma lag und am Tropf hing. Womöglich rief er gerade in diesem Moment Dr. Sarravich an, um von ihr gründlich über Taylors körperliche Verfassung aufgeklärt zu werden.
Sie überlegte gerade, was sie nach der Entlassung aus dem Krankenhaus machen sollte, als ihr die Laune endgültig verdorben wurde, weil das Fernsehgerät verrückt spielte. Sie nahm die Fernbedienung, einen klobigen Kasten an einem grauen Kabel, und versuchte, den Sender wieder einzustellen. Der Apparat wechselte selbstständig die Kanäle und blieb schließlich an einer Folge von
General Hospital
hängen. Taylor drückte alle Knöpfe, bekam aber kein anderes Programm.
Nun mach schon …
Sie hatte nichts gegen Herz und Schmerz, diese Serie erinnerte sie jedoch zu sehr an die langweiligen Sommerferien, in denen sie so viele Tage allein verbracht hatte (niemand wollte mit der Tochter eines Bestattungsunternehmers spielen). Taylor probierte ein letztes Mal, einen anderen Kanal zu finden, und schaltete das Fernsehgerät schließlich ab. Dann suchte sie nach einem Buch oder etwas anderem zu lesen.
Sie fand nicht viel. Die Schwester hatte ihre Handtasche in den Krankenhaussafe gelegt, ihr aber das schwarze Adressbuch gelassen, das im hinteren Teil allerlei interessante Informationen aufführte: die Ferienzeiten verschiedener Nationen, die Zeitzonen, gebührenfreie Telefonauskünfte, Umrechnungstabellen für fremde Währungen, Jahresdurchschnittstemperaturen in den wichtigsten Hauptstädten der Welt und dergleichen mehr.
So viel Wissenswertes langweilte sie rasch, und sie wollte schon den Gang zum Kiosk riskieren, falls es in diesem Gebäude überhaupt so etwas gab, als sie einen zusammengefalteten Zettel entdeckte, der hinten ins Buch gesteckt war.
Sie faltete das Blatt auseinander. Es war die Kopie, die Danny Stuart ihr gegeben hatte – Linda Davidoffs Gedicht, ihr Abschiedsbrief vor ihrem Tod. Taylor legte den Zettel ins Notizbuch zurück, überlegte es sich dann aber anders und fing zögernd an zu lesen.
WENN ICH GEHE
von Linda Davidoff
Wenn ich gehe, reise ich leichten Herzens,
Und ich steige empor sacht
Über das Panorama meiner Einsamkeit.
Ich segle davon, hoch und geschwind,
Und spüre nicht das Gewicht der Nacht.
Wenn ich gehe, werde ich zu Licht,
Das nichts sieht und hat keine Stimme.
Wir gestehen uns unsere Liebe in klaren,
wesentlichen Dingen.
(Denn was ist eine Seele ohne Liebe?)
Nachdem alles beiseite geräumt und verbrannt,
Reise ich leichten Herzens, eile hin zu dir,
Getrieben vom Frieden, mein Licht glimme.
Taylor dachte an Linda, an die schöne, stille, rastlose Dichterin, vergoss ein paar Tränen, faltete das Blatt zusammen und steckte es wieder ins Adressbuch. Sie ließ sich zurücksinken, da ihr vom aufrechten Sitzen noch schwindlig wurde. Dann wischte sie sich die Tränen weg, putzte sich die Nase und wartete darauf, dass die Kopfschmerzen nachließen. Sie schloss die Augen, öffnete sie jedoch nach einem Moment wieder, zog erneut das Blatt heraus und las noch einmal das Gedicht, diesmal ganz langsam und gründlich. Und nach fünf Minuten ging sie die Zeilen ein drittes Mal durch.
Um dreizehn Uhr fünfzehn am nächsten Tag, als die Büros in der Wall Street so gut wie leer waren, während es auf den Straßen von Menschen wimmelte, die
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