Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
wird.»
Licinius reckte trotzig sein Kinn. Er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, daß eine Frau ihn tadelte oder ihm Befehle erteilte. Zwar hatte er schon vorher von den Frauen in Irland, Gallien und Britannien gehört, die soviel mehr Befugnisse und Rechte besaßen als die römischen Frauen, die sich in Bescheidenheit übten und sich hauptsächlich im Haus aufhielten. Und doch empfand er es als erniedrigend, von einer Frau, dazu noch von einer Fremden, herumkommandiert zu werden. Aber superista Marinus, sein oberster Dienstherr, hatte seinen Standpunkt klargemacht: Furius mußte dieser Frau und dem gutmütigen sächsischen Geistlichen gehorchen.
Als sie gerade die Stufen im dunklen Hausflur emporsteigen wollten, stürmte eine Frau mittleren Alters aus einem Zimmer im Erdgeschoß. Beim Anblick von Licinius’ Uniform stieß sie einen Schwall wüster Beschimpfungen aus. Da sie in dem seltsam kehligen Akzent der römischen Straßen sprach, verstand Fidelma kaum ein Wort. Doch es gab keinen Zweifel daran, daß es sich nicht um Schmeicheleien handelte. ‹Ad malam crucem!› beendete die Frau ihren zornigen Wortschwall.
«Warum ist sie so erbost?» wollte Fidelma wissen.
Doch ehe Licinius antworten konnte, hatte sich die Frau schon an ihm vorbeigedrängt und sprach nun direkt Fidelma an, wobei sie ihr Sprechtempo etwas verlangsamte, damit der Fremden auch keine Silbe entging.
«Und wer bezahlt mir das leere Zimmer? Der fremde Bruder kommt nicht wieder, und seine Schulden wird er mir wohl auch nicht bezahlen. Es ist einen Monat her, daß ich die letzte Miete von ihm erhalten habe. Und das bei den Scharen von Pilgern in Rom! Ich habe ein leeres Zimmer und kann es nicht vermieten, bloß weil dieser catalus vulpinus es so befohlen hat!»
Fidelma lächelte spöttisch. «Beruhigt Euch. Ich bin sicher, Ihr werdet für den Mietausfall entschädigt. Wenn wir mit unserer Untersuchung fertig sind und Bruder Ronan nicht zurückkehrt, werdet Ihr die Sachen, die er zurückgelassen hat, doch sicherlich verkaufen können.»
Fidelmas höhnischer Tonfall schien der Frau nicht zu gefallen.
«Soll das Euer Ernst sein?» keifte sie. «Ich habe noch nie einem irischen Pilger ein Zimmer vermietet, der mehr besessen hätte als die Kleider, die er am Leibe trug. Der Mann hatte kein Geld, und in seinem Zimmer gibt es nichts, das sich verkaufen ließe. Seinetwegen werde ich noch am Hungertuch nagen!»
«Wahrscheinlich habt Ihr bereits dafür gesorgt, daß es in seinem Zimmer nichts Lohnendes mehr gibt?» fragt Fidelma mit drohendem Unterton.
«Natürlich habe ich …»
Die Frau hielt erschrocken inne.
Furius Licinius runzelte die Stirn. «Euch wurde befohlen, das Zimmer nicht zu betreten», tadelte er.
Die Frau reckte trotzig das Kinn. «Ihr habt es leicht, solche Befehle zu erteilen. Ich wette, Ihr habt noch nie eine Mahlzeit ausfallen lassen müssen.»
«Habt Ihr nun etwas aus Bruder Ronan Ragallachs Zimmer entfernt oder nicht?» hakte Fidelma nach. «Sprecht die Wahrheit. Alles andere würdet Ihr ohnehin nur bereuen.»
Erschrocken sah die Frau Fidelma an. «Ich habe nichts angerührt …»
Ihre Stimme erstarb unter Fidelmas strengen Blick, und sie senkte die Augen.
«Auch ich will überleben, Schwester. Die Zeiten sind schlecht. Ich muß an mein Auskommen denken.»
«Bruder Eadulf, begleitet diese Frau, und laßt Euch alles geben, was sie aus Ronan Ragallachs Zimmer entwendet hat. Und Ihr, Frau, denkt daran, wenn Ihr nicht ehrlich seid, wird dies früher oder später ans Tageslicht kommen, und Lügen haben nicht nur in dieser Welt harte Strafen zur Folge.»
Die Frau ließ mißmutig den Kopf hängen.
Bruder Eadulf streifte Fidelma mit einem verschmitzten Seitenblick. Er wußte, daß ihr rauher Ton oft vorgetäuscht war. Er nickte kurz und wandte sich dann an die verstörte Hauswirtin.
«Kommt», sagte er streng. «Zeigt mir, was Ihr an Euch genommen habt. Und daß Ihr mir ja ganz genaue Angaben macht!»
Furius Licinius und Fidelma stiegen weiter die Treppe hinauf.
«Diese verdammten Bauerntölpel!» murmelte Licinius. «Sie würden auch noch einen kranken Mann auf seinem Totenbett ausrauben. Ich habe es satt, mich mit ihnen herumzuärgern.»
Fidelma beschloß, nicht darauf einzugehen, und folgte ihm stumm in eine kleine Kammer im ersten Stock. Sie war dunkel und trist und roch nach Küchendünsten und abgestandenem Schweiß.
«Ich frage mich, wieviel sie für dieses Loch verlangt», sagte Licinius, der Fidelma
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