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Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Titel: Ein Totenhemd fur einen Erzbischof Kostenlos Bücher Online Lesen
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Einsamkeit. Sie benahm sich anderen gegenüber zurückhaltend und beschwerte sich nie über die herrische Art ihrer Äbtissin. Ein seltsames Mädchen, dachte Fidelma, schüchtern, nicht unliebenswürdig, aber stumm wie ein Fisch. Über den Lärm der Menge hinweg hörte Fidelma deutlich Äbtissin Wulfruns durchdringende Stimme, mit der sie Eafa befahl, ihr Gepäck zu tragen. In gebieterischer Haltung drängte sich die Äbtissin durch die Masse auf die Tore des Palasts zu – sie erinnerte Fidelma an ein Kriegsschiff, das sich seinen Weg durch stürmische Gewässer bahnt, die schmächtige, ängstliche Eafa wie ein Rettungsboot im Schlepptau.
    Schwester Fidelma sah ihnen nach, bis sie in der Menge verschwunden waren, dann trat sie mit einem leisen Seufzer durch die Tore nach draußen auf die sonnenbeschienenen Marmorstufen. Die plötzliche Wärme, mit der die römische Sonne sie umfing, ließ sie innehalten und nach Atem ringen. Vom kühlen Inneren des großen Palasts nach draußen zu kommen ähnelte einem kalt-heißen Wechselbad. Sie blinzelte und holte tief Luft.
    «Schwester Fidelma!»
    Mit zusammengekniffenen Augen sah sie sich nach dem Mann um, dem die vertraute, tiefe Stimme gehörte. Ein junger Mönch im schlichten, braunen Wollgewand mit der corona spinea , der römischen Tonsur auf dem Scheitel, löste sich aus einer Gruppe und winkte ihr freudig zu. Er war kräftig gebaut und sehr muskulös, so daß er eher an einen Krieger als einen Mönch erinnerte – ein gutaussehender Mann in ihrem Alter. Fidelma ertappte sich dabei, daß sie ihn mit einem breiten Lächeln begrüßte, und fragte sich im stillen, weshalb sie sich so freute, ihn wiederzusehen.
    «Bruder Eadulf!»
    Eadulf hatte sie auf der langen, anstrengenden Reise vom Königreich Northumbrien begleitet. Er war als Sekretär und Dolmetscher für Wighard, den zukünftigen Erzbischof von Canterbury, nach Rom gekommen. Während der Synode in Hildas Kloster Streoneshalh nahe der Küstenstadt Witebia hatten sie gemeinsam den geheimnisvollen Mord an Äbtissin Étain von Kildare aufklären können und waren dabei gute Freunde geworden. In ihren Kenntnissen und Fähigkeiten hatten sie einander wunderbar ergänzt, denn Eadulf war ein erblicher gerefa oder Friedensrichter am Hof des Thans von Seaxmund’s Ham gewesen, ehe er von einem irischen Mönch namens Fursa zum Glauben bekehrt und zur religiösen Erziehung nach Durrow in Irland gebracht worden war. Außerdem war Eadulf in der Heilkunde bewandert, denn er hatte vier Jahre lang das berühmte Kollegium der Medizin in Tuaim Brecain besucht. Anschließend hatte er zwei Jahre in Rom verbracht und sich entschieden, den Lehren Roms zu folgen; dann war er in sein Heimatland zurückgekehrt. An der Synode in Witebia hatte er teilgenommen, um Canterbury und Rom zu unterstützen, während Fidelma den Vertretern der keltischen Kirche beratend zur Seite gestanden hatte.
    Einen Augenblick lang standen die beiden sich gegenüber und lächelten glücklich über ihr zufälliges Zusammentreffen auf den sonnenbeschienenen, weißen Marmorstufen des Lateranpalasts.
    «Macht Eure Mission in Rom Fortschritte, Schwester Fidelma?» fragte Eadulf. «Habt Ihr den Heiligen Vater schon gesehen?»
    Fidelma schüttelte den Kopf.
    «Nein, bisher habe ich nur mit einem Bischof sprechen können, der sich nomenclator nennt, mein Anliegen prüft und anschließend darüber entscheidet, ob ich den Heiligen Vater damit behelligen darf. Offenbar schert es die vielen Federfuchser, mit denen sich der Bischof von Rom umgibt, nicht, daß ich vertrauliche Briefe Ultans von Armagh an den Heiligen Vater bringe.»
    «Ihr klingt ziemlich erbost.»
    Fidelma schnaubte ärgerlich. «Ich bin ein einfacher Mensch, Eadulf. Mir mißfallen der weltliche Pomp und die ganze Förmlichkeit.» Sie deutete auf die eindrucksvollen Gebäude ringsum. «Erinnert Ihr Euch an die Worte des Matthäus? Christus hat uns selbst ausdrücklich darauf hingewiesen: ‹Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe nachgraben und stehlen.› Diese weltlichen Schätze sind das reinste Gift für die Schlichtheit unseres Glaubens.»
    In gespieltem Tadel schüttelte Bruder Eadulf den Kopf. Auch wenn sein Gesicht ernst blieb, konnte doch nichts das verschmitzte Funkeln in seinen Augen verbergen. Er wußte, daß Fidelma sehr belesen war und aus dem Stegreif die verschiedensten Stellen aus der Heiligen Schrift zitieren konnte, wenn es

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