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Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Titel: Ein Totenhemd fur einen Erzbischof Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wirklichkeit mit der Tradition, von der Ihr so gerne sprecht. Alle noch so großen Monumente der Menschheit sind zur Vergänglichkeit verdammt.»
    Eadulf sah sie mißmutig und erstaunt an. «Also habt Ihr die Geschichte des Palasts längst gekannt?» fragte er vorwurfsvoll, ohne auf ihre Einwände einzugehen.
    Fidelma zuckte die Achseln.
    «Ich habe einen der Wärter in der Basilika gefragt. Aber da Ihr so darauf branntet, Euer Wissen anzubringen …» Sie verzog das Gesicht, lächelte ihn entschuldigend an, da er gar so verdrießlich drein blickte, und legte ihm die Hand auf den Arm. Ein schalkhaftes Grinsen spielte um ihre Lippen.
    «Kommt schon, Bruder Eadulf. Ich habe ja bloß gesagt, daß menschliche Kunstwerke vergänglich sind, vor allem im Vergleich mit dem sehr viel größeren Kunstwerk der Natur, das der Mensch mit seinen armseligen Bauten so oft seiner Schönheit beraubt. Erst vor kurzem habe ich mich gefragt, wie die sieben Hügel dieser bemerkenswerten Stadt wohl ausgesehen haben, ehe sie unter all den Gebäuden verschwunden sind.»
    Doch der sächsische Mönch wirkte auch weiterhin verdrossen.
    «Seid nicht böse, Eadulf», redete Fidelma reumütig auf ihn ein. Sie bedauerte zutiefst, ihn gekränkt zu haben. «Ich kann meine innerste Überzeugung nicht leugnen, aber ich bin für alles aufgeschlossen, was Ihr mir über Rom zu erzählen habt. Sicher gibt es in dieser Stadt noch sehr viel mehr zu entdecken, über das Ihr mich aufklären könnt. Kommt, gehen wir ein Stückchen. Zeigt mir, was immer Euch sehenswert erscheint.»
    Damit ging sie die breiten Stufen hinunter und bahnte sich einen Weg durch die riesige Bettlerschar, die sich am unteren Ende der Treppe versammelt hatte und von den grimmig dreinblickenden custodes nur mühsam in Schach gehalten werden konnte. Blicke aus dunklen, eingesunkenen Augen in ausgemergelten Gesichtern folgten ihnen, magere, knochige Hände reckten sich ihnen flehend entgegen. Es hatte mehrere Tage gedauert, bis Fidelma sich an diese Szene gewöhnt hatte, die sich tagtäglich auf dem Weg von ihrer Herberge zum prunkvollen Papstpalast abspielte.
    «So etwas würdet Ihr in Irland niemals sehen», sagte sie mit einem Seitenblick auf die Bettler. «Unsere Gesetze schreiben uns vor, den Armen zu helfen, damit sie nicht betteln müssen und sich und ihre Familien mit dem Nötigsten versorgen können.»
    Aus seiner Zeit in Irland wußte Eadulf, daß sie recht hatte. Die uralten, von der Brehon-Gerichtsbarkeit überwachten Gesetze Irlands sorgten dafür, daß niemand wegen Krankheit ins Elend geriet und keiner Hungers sterben mußte. Für sie alle war gesorgt.
    «Es ist traurig, daß Menschen trotz all dieses Wohlstands betteln müssen, vor allem, wenn die ganze Pracht einem Gott der Armen gilt», fuhr Fidelma fort. «Die Bischöfe und Kleriker in ihren Palästen sollten den Brief des Apostel Johannes lesen, in dem er sagt: ‹Wenn aber jemand in dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm?› Kennt Ihr diese Stelle, Eadulf?»
    Eadulf biß sich auf die Lippe und sah sich besorgt um. «Vorsicht, Fidelma», flüsterte er. «Am Ende bezichtigt man Euch noch des ketzerischen Pelagianismus.»
    Fidelma schnaubte verächtlich. «Rom hält Pelagius doch nicht deshalb für einen Ketzer, weil er sich von der Lehre Christi abgewandt hätte, sondern einzig und allein deshalb, weil er Rom kritisierte, das sich nicht an diese Lehre hielt. Ich habe lediglich aus dem ersten Brief des Johannes, Kapitel drei, Vers siebzehn zitiert. Wenn das Ketzerei ist, bin ich wahrhaftig eine Ketzerin, Eadulf.»
    Sie griff in ihre Tasche, kramte eine Münze heraus und legte sie in die ausgestreckte Hand eines kleinen Jungen, der abseits von den anderen Bettlern stand und mit blinden Augen ins Leere starrte. Die Hand schloß sich über der Münze, und ein kleines Lächeln huschte über das pockennarbige Kindergesicht.
    «Do ut des» , murmelte Fidelma die uralte Formel. «Ich gebe, damit du geben kannst.» Schweigend gingen sie und Eadulf weiter durch ein ärmliches Viertel am Fuße des Esquilin, des höchsten und ausladensten der sieben Hügel, auf denen Rom erbaut war. Sie überquerten die Via Labicana und bogen in die breite Via Merulana ein. «‹Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht von dem, der von dir borgen will …›» zitierte sie feierlich mit einem Seitenblick auf Eadulf, der mißbilligend zugeschaut hatte, wie sie

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