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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Hammelragout.

Ein Boß auf absteigendem Ast
     
     
    Nach dem Zustand der Leiche zu urteilen, roch
der Araber schlechter, als es die Naturgesetze vorschrieben. Der Tod hatte ihn
erst vor kurzem ereilt.
    Angewidert drehte ich den mageren Körper mit dem
Fuß herum. Weder auf seiner Vorder- noch auf der Rückseite konnte ich eine
Verletzung entdecken. Seine Hose war furchtbar dreckig. Ich überwand meinen
Ekel und durchwühlte die Taschen des schäbigen Kleidungsstückes. Sie waren
leer.
    Ich wandte mich ab und machte mich wieder auf
die Suche nach meiner Pfeife. Falls ich sie finden sollte, würde ich sie
stundenlang in einem Desinfektionsmittel schwimmen lassen müssen, bevor ich sie
wieder benutzen könnte.
    Ich fand sie aber nicht.
    Da es nun Zeit für meine Verabredung war, hielt
ich eine mit Flüchen garnierte Grabrede und kletterte den Abhang zu dem Feldweg
hinauf, um mich schnell zum Hause von Gérard Flauvigny zu begeben. Für ein
stärkendes Gläschen in dem Lokal blieb mir keine Zeit mehr. Dabei verspürte ich
ein dringendes Verlangen danach.
     
    * * *
     
    Ich mußte eine Weile in einer mit Rüstungen
bevölkerten Eingangshalle warten, bevor mich ein stilechter Butler — gestreifte
Weste, weißes Hemd, schwarze Hose, leise Sohlen — in einen großen Raum führte,
der gleichzeitig als Bibliothek und Kunstgalerie diente. Die blühenden Zweige
der Bäume schlugen gegen die geschlossenen Fenster.
    In einen prachtvollen Morgenmantel gehüllt,
thronte Gérard Flauvigny auf einem hohen Lehnsessel hinter einem mit Papierkram
übersäten Schreibtisch, auf den schräg die Sonne fiel. Der Hausherr schien es
nicht eilig zu haben, die Unterhaltung mit mir zu beginnen. So konnte ich ihn
in aller Ruhe mustern.
    Als Industriekapitän, der sich seiner
Verantwortung bewußt war, versuchte er, sein Alter auf den eigenen Schultern,
aber in Würde zu tragen. Er thronte wie ein König am Vorabend einer Revolution.
Schließlich kann man seine Sitzgelegenheit nicht austauschen, nur weil das Volk
murrt...
    Der Greis war hager, hatte ein kantiges Gesicht
und den Blick eines Raubvogels. Eines Raubvogels mit Blei in den Flügeln,
jedoch immer noch mit Mordgedanken im kranken Herzen. Um seine blauen Augen
lagen die tiefen Ringe eines Herzkranken.
    Sein Wolfsblick durchbohrte mich und biß sich
dann schließlich an meiner Lammfelljacke fest.
    „Sie sind also Nestor Burma?“ fragte er, ohne
seine Zeit mit unnützen Höflichkeitsfloskeln zu verplempern.
    Seine Stimme überraschte mich. Schroff,
schneidend und autoritär kam sie aus diesem so hinfälligen Körper. Der Kerl war
noch im Vollbesitz seiner Kräfte und hätte mit einem einzigen Wort Holz spalten
können.
    „Ja, ich bin der berühmte Nestor Burma“,
korrigierte ich ihn.
    „Völlig unwichtig, ob Sie berühmt sind oder
nicht“, brummte er. „Ich habe nicht die Absicht, Unmögliches von Ihnen zu
verlangen.“
    „Das ist ein Fehler! Ich kann Ihnen zwar nicht
garantieren, das Unmögliche möglich zu machen; aber zumindest könnte ich Ihnen
die Illusion verschaffen.“
    „Ich brauche keine Illusionen, sondern
Gewißheit...“ Manchmal wurde seine Stimme schwächer. Sie schien aufzugeben wie
ein Grammophon, dessen Feder abgelaufen ist und das wieder angekurbelt werden
muß.
    „Sie können sich setzen und Ihren Hut abnehmen.“
    Ich ließ mich in einen Sessel fallen, nahm
meinen Hut ab und legte ihn auf die Armlehne.
    „Entschuldigen Sie“, sagte ich, „ich kenne mich
in der feinen Gesellschaft nicht so aus.“
    „Völlig unwichtig“, brummte er wieder. „Um mir
Gewißheit zu verschaffen, werde ich Sie nicht in den Faubourg Saint-Germain
schicken.“
    Um seine Gedanken zu sammeln, griff er in eine
kunstvolle Schatulle, nahm eine Zigarette heraus, steckte sie sich in den Mund
und zündete sie mit einem Feuerzeug aus massivem Gold an. Wortlos schob er die
Schatulle in meine Richtung.
    „Vielen Dank“, sagte ich, „aber wenn es Ihnen
nichts ausmacht, würde ich lieber Pfeife rauchen.“
    Er runzelte die Stirn, und ich wartete darauf,
daß er frei heraus sagen würde, was er von meiner läßlichen Sünde hielt. „Von
mir aus können Sie Ihre Pfeife rauchen“, knurrte er. Er akzeptierte also, daß
ich ihm die Bude verpestete (so ähnlich mußte er wohl denken). Seine Stimme
klang zwar nicht müde, aber auch nicht sehr kämpferisch. Ich ahnte etwas:
Gérard Flauvigny wurde alt. So langsam wurde seine Autorität untergraben.
    Ich zündete meine Pfeife an (die

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