Ein toter Lehrer / Roman
hatte ein wütendes Funkeln in den Augen. Entschuldige mich, sagte er noch einmal, aber in einem Ton, der so viel bedeutete wie: und wehe, wenn nicht.
Samuel, bitte, sagte ich. Wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist, solltest du es sagen.
Und da lachte er wieder, dasselbe spöttische Schnauben. Das ist vernünftig, sagte er. Man denkt ja, Reden hilft, nicht wahr?
Wie bitte?, fragte ich.
Aber er sagte nichts weiter, nur noch einmal: Entschuldige mich, und diesmal ließ ich ihn gehen. Ich hatte ja keine andere Wahl.
Die Waffe fiel mir erst danach wieder ein. Ich war auf dem Weg in meine Klasse, und plötzlich hatte ich das Gefühl, mir rutscht das Herz in die Hose. Als ob mir eingefallen wäre, dass ich zu Hause etwas im Ofen vergessen habe. Ich blieb stehen und sagte mir: Mach dir keine Sorgen. Er war bloß aufgeregt wegen irgendetwas, weiter nichts. Irgendetwas Persönliches, das mich nichts anging. Ich hatte kein Recht, mich einzumischen, und es war nur zu verständlich, dass er wütend auf mich war. Und er hatte mir ja eine Erklärung für die Waffe geliefert. Er hatte mir demonstriert, dass sie gar nicht funktionierte. Aber dann sah ich wieder seinen Gesichtsausdruck vor mir, kurz nachdem er die Waffe auf TJ gerichtet hatte, diesen aufflackernden Jubel, und da bekam ich es mit der Angst zu tun.
Ich fragte herum. Bei Kollegen, sogar bei ein oder zwei Schülern, denen ich vertraute, dass sie die Sache nicht an die große Glocke hängen würden. Aber niemandem war etwas aufgefallen. Wie gesagt, normalerweise wurde Samuel kaum wahrgenommen. Nein, nichts Komisches, sagten die, die ihn gesehen hatten. Nichts, was komischer gewesen wäre als sonst. Und dann lachten sie, und ich lächelte, und damit war das Thema erledigt.
Am Nachmittag hatten Samuel und ich zusammen eine Freistunde. Das wusste ich zwar, aber ich sah auf den Stundenplan, um sicherzugehen. Also machte ich mich noch einmal auf die Suche nach ihm. Diesmal würde ich richtig mit ihm reden, beschloss ich. Ich würde herausfinden, was er auf dem Herzen hatte. Und ich würde ihn noch einmal auf die Waffe ansprechen und, wenn es sein musste, darauf bestehen, dass er sie mir gibt, Museumsstück hin oder her. Aber ich fand ihn nirgends. Ich sah in allen Klassenräumen nach, im Lehrerzimmer, auf dem Schulhof und, herrje, sogar im Mädchenumkleideraum. Schließlich ging ich ins Sekretariat – Sie wissen schon, der Raum neben dem Direktorzimmer, wo Janet sitzt und wo Klassenbücher und Dienstpläne und solche Sachen aufbewahrt werden –, auch wenn mir klar war, dass ich ihn dort nicht finden würde. Es war der letzte Ort, an dem ich nachsah, und als er dort nicht war, blieb ich noch eine Weile. Aus keinem bestimmten Grund, nur weil ich nicht wusste, wo ich sonst hingehen sollte. Ich lehnte mich an einen Aktenschrank und schnalzte mit der Zunge. Das ist so eine Angewohnheit von mir. Höchst nervig für meine Mitmenschen, nehme ich an.
Alles klar, George? Du siehst so gestresst aus, wie ich mich fühle. Das kam von Janet, sie saß an ihrem Schreibtisch.
Ich antwortete nicht, brummte höchstens.
Da fragte sie noch einmal: George? Ich sah sie an, und sie lächelte. Sie wartete.
Ja, Janet. Danke. Alles klar. Ich stieß mich am Aktenschrank ab und wollte gehen. Dann fragte ich: Du hast nicht zufällig Samuel gesehen, oder?
Samuel?, fragte sie.
Samuel. Samuel Szajkowski.
Nein, sagte sie. Und dann: Doch. Das heißt, er ist nach Hause gegangen. Der Direktor hat ihn nach Hause geschickt. Ich … äh … ich glaube, es ging ihm nicht so gut.
Ach so, sagte ich. Ja. Ich dachte kurz darüber nach und wollte dann gehen.
Aber Janet hielt mich zurück. Wieso?, fragte sie. Und in dem Moment ist es mir gar nicht aufgefallen, aber es war ein misstrauisches Wieso. Ein abwehrendes. Wie man es einen Freund fragen würde, der wissen will, wie viel Geld man im Portemonnaie hat.
Nur so, sagte ich. Nicht so wichtig. Und dann ging ich wirklich. Und wissen Sie was, Detective? Ich wünschte, ich wäre geblieben. In Anbetracht dessen, was passiert ist. Hinterher ist man ja immer schlauer. Denn da steckte irgendetwas dahinter. Ich wusste es, und jetzt wird mir klar, dass auch Janet es wusste. Und es ist wirklich nicht schwer, Janet zum Reden zu bringen. Deshalb bin ich ja auch eigentlich gegangen. Ihrem Mundwerk entgeht man nämlich nicht so leicht, und wenn man nicht aufpasst, hängt man schnell bei ihr fest. Ich hätte sie nur zu fragen brauchen, und sie hätte mir erzählt,
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