Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Titel: Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simona Ahrnstedt
Vom Netzwerk:
neues Kleid – das an der Taille so eng saß, dass sie kaum atmen konnte – könnte zu tief ausgeschnitten sein, aber sie sah mehrere Frauen mit wesentlich großzügigerem Dekolleté. Als sie in ihrem Rücken ein Rascheln vernahm, drehte sie sich um. Sie lächelte ihrer Cousine Sofia zu, die sich mit großen Augen im Foyer umsah.
    «Die anderen kommen auch gleich», sagte Sofia. «Papa hat einen Bekannten getroffen.» Sie legte Beatrice eine Hand auf den Unterarm. «Ich hatte ja keine Ahnung, dass so viele Leute hier sein würden», flüsterte sie und öffnete ebenfalls ihren Fächer. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in ihrem engen Kleid. Ein Mann blieb vor ihnen stehen und musterte Sofia ungeniert. Das Mädchen rückte näher an Beatrice. «Ich bin froh, dass du diesmal mitgegangen bist», murmelte sie hinter ihrem Fächer. Der Mann schritt über die Steinfliesen davon, doch die Erleichterung währte nicht lang, denn schon blieb der nächste vor Sofia stehen und riss bei ihrem Anblick die Augen auf. Mit der ein Jahr jüngeren Cousine auszugehen war nur selten besonders erhebend für das Selbstwertgefühl, das wusste Beatrice, aber dieses Schauspiel war ja fast schon absurd. Sofias neues puderrosa Kleid tat natürlich seinen Teil dazu. Mit den Rosen und den schmalen Samtbändern – eine Spezialanfertigung von Augusta Lundin, Stockholms gefragtester Schneiderin – und der unglaublich schmalen Taille unterstrich es die zarte Schönheit des Mädchens. Morgen musste ihr Pförtner sicher Scharen von Männern verscheuchen, Männer, die in der vagen Hoffnung, noch einen Blick auf die blonde, braunäugige Siebzehnjährige zu erhaschen, vor ihrem Haus herumstrichen.
    «Ich nehme an, es besteht keine Möglichkeit, dass du weniger bedauernd dreinblickst, liebste Cousine?», fragte Beatrice.
    Sofia machte eine abwehrende Geste. «Da kommt Edvard», sagte sie rasch und zeigte diskret auf ihren Bruder, der gerade auf sie zuging.
    Nonchalant kam Edvard Löwenström durch die Menschenmenge geschlendert. Er trug einen dunklen Frack, eine elegante graue Hose und eine bunte Krawatte. Man musste wohl zugeben, dass Gott wirklich einen guten Tag gehabt hatte, als er die Geschwister schuf, dachte Beatrice, während sie beobachtete, welches Aufsehen Edvard bei den weiblichen Opernbesuchern erregte. Die Schönheit der Geschwister war geradezu überwältigend. Unsicher strich Beatrice mit der Hand über die hellgrüne Seide ihres eigenen Kleides. Vorn war es ganz glatt und lag eng an, doch auf der Rückseite war der Stoff kunstvoll drapiert und mit Volants, Bändern und kleinen Rosen verziert und endete in einer kurzen Schleppe. Ein schönes Kleid, doch neben Sofia und Edvard hätte sie genauso gut unsichtbar sein können. Trotzdem richtete sie sich kerzengerade auf, als Edvard zu ihnen trat.
    «Was ist denn?», fragte sie, als Edvard sie nach einer kurzen Verbeugung eingehend musterte.
    «Nichts», erwiderte er. «Ich seh dich bloß zum ersten Mal in einem Abendkleid. Es steht dir gut.» Er zwinkerte ihr zu. «Papa hat mich gebeten, schon mal vorzugehen», fuhr er fort, bevor Beatrice auf sein Kompliment reagieren konnte. Er reichte den beiden Mädchen den Arm. Seine Schwester hakte ihn auf der einen Seite unter, Beatrice auf der anderen, und zusammen bahnten sie sich auf dem schwarz-weißen Marmorboden einen Weg durch die Menge.
    Da die Aida ein großer Erfolg war, war die Oper gut besucht, und es war nicht einfach, zu dritt nebeneinanderzugehen. Beatrice blieb etwas zurück und stieß prompt mit einem anderen Besucher zusammen. Der Zusammenprall war heftig, und sie verzog schmerzlich das Gesicht, während sie eine Entschuldigung murmelte.
    «Keine Ursache», erwiderte der Mann. Sie blickte auf und sah in ein Paar intelligente graue Augen. Der Mann neigte höflich den Kopf und wandte sich dann wieder seiner Begleiterin zu, einer lachenden Frau in einem derart tief ausgeschnittenen Kleid, dass Beatrice den Blick kaum abwenden konnte. Ihre bloßen Schultern waren gepudert, und die eng anliegenden hautfarbenen Handschuhe verstärkten die Illusion von Nacktheit noch. Die goldene Abendtoilette war wahrhaft großartig. Und das Dekolleté … Beatrice hatte noch nie so ausladende Brüste gesehen, einen solchen Überfluss an … nun ja, an allem eben. Die Frau lachte und gestikulierte, und fasziniert betrachtete Beatrice das üppige Fleisch. Es hätte sie nicht gewundert, wenn … Aus irgendeinem Grund warf der Mann Beatrice noch einen

Weitere Kostenlose Bücher