Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
ein Feuer, das den Raum gut erwärmte. Beatrice nippte an der roten Bowle.
Karin und ihr Mann, der Landeshauptmann von Stockholm, Hjalmar Hielm, luden jeden Herbst zu einem großen, wenn auch eher formlosen Abendessen ein, zu dem um die dreißig Gäste kamen. Sofia und Beatrice hatten sich schon wochenlang auf diesen Abend gefreut. Beatrice wurde einem Mann namens Johan Stjerneskanz vorgestellt, einem jungen Juristen, der nach Karins Worten außerordentlich geschickt und begabt sei. Sofia knickste vor einem älteren Grafen und seiner Frau und lobte das Kleid ihrer Tochter. Der Landeshauptmann gab Wilhelm Löwenström die Hand, machte einen kleinen Scherz und kassierte dafür nur eine gequält amüsierte Miene. Der allzu ernsthafte Wilhelm hatte die unglückliche Neigung, Scherze misszuverstehen.
«Wie schön, euch zu sehen», sagte Karin. Sie drückte den Mädchen die Hand und lächelte sie liebevoll an. «Ich muss mich ein wenig unter meine Gäste mischen, aber ich habe hier jemand, mit dem ihr bereits bekannt seid, wie ich gehört habe.»
Sie trat einen Schritt beiseite, und Beatrice erblickte einen Mann, den sie sofort wiedererkannte.
Graf Rosenschöld kam ihnen über den weichen Teppich entgegen. Unangenehm berührt überlegte Beatrice, was der Mann hier wohl machte. Natürlich wusste sie, dass Karin und Hjalmar jeden kannten, der in Stockholm etwas darstellte, aber mit Rosenschöld hätte sie nun wirklich nicht gerechnet in dieser hübschen und gemütlichen Wohnung.
«Fräulein Beatrice. Fräulein Sofia.»
Beatrice knickste und musterte sein Gesicht. Eigentlich sieht er gar nicht so übel aus, trotz seines Alters, und wenn er nicht so arrogant wäre, könnte ich ihn vielleicht sogar mögen, dachte sie. Doch als der Graf seinen Blick ganz ungeniert auf Sofias Ausschnitt ruhen ließ, kam Beatrice zu dem Schluss, dass sie ihn doch niemals würde respektieren können.
Nach einigen Minuten Plauderei verbeugte sich der Graf endlich und ging weiter. Beatrice und Sofia tauschten einen erleichterten Blick, da kam auch schon der nächste Freund der Familie auf sie zu und forderte Sofias Aufmerksamkeit.
Beatrice hatte diese Wohnung schon immer gemocht. An den Wänden hingen so viele Gemälde und Fotografien, dass die rote Brokattapete kaum mehr zu sehen war. Es gab kein Sofa und keinen Stuhl, der nicht mit einem gehäkelten Überwurf oder einem Seidenschal dekoriert war. Die zahlreichen Leuchter sorgten für ein weiches, gemütliches Licht. Am anderen Ende des Salons sah Beatrice, wie Karin ihre Freunde begrüßte, sie zum Lachen brachte und allen das Gefühl gab, willkommen zu sein. Beatrice mochte Karin und Hjalmar sehr. Karin war klug und hatte immer ein freundliches Wort für sie übrig, während der Landeshauptmann überhaupt nichts dabei fand, mit einer jungen Frau zu diskutieren und sich ihre Ansichten anzuhören, ohne ärgerlich zu werden. Das Paar war für sein gastfreundliches Heim und seine großzügigen Soupers bekannt und … Da sah Beatrice, wie Karin einen weiteren Gast begrüßte, und beinahe wäre ihr das Herz stehen geblieben. Das war er – der dunkelhaarige Mann aus der Oper. Die Dame des Hauses hakte sich bei ihm unter und steuerte direkt auf Beatrice zu.
Als läge ein eigenes Kraftfeld um ihn, dachte sie, eine beherrschte Energie, die seine ganze Umgebung dumpf und beschränkt wirken ließe – so kam es ihr vor. Der Salon hallte immer noch vom Gelächter der Gäste und dem Klirren der Gläser wider, doch als dieser Mann den Raum durchquerte, schienen alle Geräusche zu verstummen.
Und dann standen die beiden auch schon vor ihr.
«Das ist Seth Hammerstaal», stellte Karin ihn vor und lächelte strahlend. «Er ist erst vor kurzem aus New York zurückgekommen. Ich glaube, wir haben uns zum letzten Mal vor einem Jahr gesehen.» Sie drückte seinen Arm. «Auf jeden Fall hat er mir schrecklich gefehlt.»
Beatrice sah den Mann namens Seth an. Sie fragte sich, ob er wohl erwähnen würde, dass sie sich bereits begegnet waren, doch er verriet mit keiner Miene, ob er sie überhaupt wiedererkannte. «Seth, darf ich dir Beatrice Löwenström vorstellen? Sie ist die Nichte von Wilhelm Löwenström, den du schon begrüßt hast.» Karin blickte sie beide an. «Seltsam, dass ihr zwei euch noch nicht begegnet seid.»
Beatrice. Der Name passt zu ihr, dachte Seth und musterte das ausdrucksvolle Gesicht. In Karins Salon glänzte sie in ihrem hellen Kleid wie ein Sonnenstrahl.
«Entschuldigt mich»,
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