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Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist

Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist

Titel: Ein Universum aus Nichts - ... und warum da trotzdem etwas ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence M.Krauss
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– die befasst sich mit ebenen Flächen. Auf einer gekrümmten zweidimensionalen Oberfläche wie einem Globus kann man ein Dreieck zeichnen, dessen Winkelsumme größer ist als 180 Grad. Dazu können wir uns beispielsweise vorstellen, eine Linie entlang des Äquators zu zeichnen, an einem Ende einen rechten Winkel zu konstruieren, die Linie zum Nordpol weiterzuführen und von dort mit einem weiteren rechten Winkel zum Äquator zurückzukehren – wie auf der folgenden Zeichnung. Dreimal 90 ergibt 270, das ist weit mehr als 180 Grad. Schau an!

    Wie sich zeigt, ist dieses einfache zweidimensionale Denken direkt und in gleicher Weise auf drei Dimensionen erweiterbar. So erkannten die Mathematiker, die als Erste nicht-flache oder nicht-euklidische Geometrien vorschlugen, dass in drei Dimensionen die gleichen Möglichkeiten bestehen könnten. Carl Friedrich Gauß, der berühmteste Mathematiker des 19. Jahrhunderts, war in der Tat fasziniert von der Möglichkeit, dass unser Universum gekrümmt sein könnte. In den 1820er und 1830er Jahren verwendete er Daten geodätischer Übersichtskarten, um große Dreiecke zwischen den Berggipfeln des Hohen Hagen, des Inselbergs und des Brocken zu vermessen – so wollte er feststellen, ob er irgendeine Krümmung des Raums aufspüren konnte. Die Berge befinden sich aber auf der gekrümmten Oberfläche der Erde, was natürlich bedeutet, dass die zweidimensionale Krümmung der Erdoberfläche sich auf jede Messung ausgewirkt hätte, mit der Gauß die Hintergrundkrümmung des die Erde enthaltenden dreidimensionalen Raums zu erforschen suchte – das muss ihm bewusst gewesen sein. Ich nehme an, er hatte vor, jeden derartigen Beitrag von seinen Endresultaten abzuziehen, um zu sehen, ob dabei eine Krümmung übrig blieb, die einer Krümmung des Hintergrundraums zuzurechnen war.
    Es war der im abgelegenen russischen Kasan lebende, weniger bekannte Mathematiker Nikolai Iwanowitsch Lobatschewski, der als Erster versuchte, die Krümmung des Raums zu messen. Anders als Gauß war Lobatschewski einer von zwei Mathematikern, die so kühn waren, in einem Artikel die Möglichkeit sogenannter hyperbolischer gekrümmter Geometrien vorzuschlagen, in denen parallele Linien zusammenlaufen konnten. Es ist bemerkenswert, dass Lobatschewski seine Arbeit über hyperbolische Geometrie, die wir inzwischen als »negativ gekrümmte« oder »offene« Universen bezeichnen, im Jahr 1830 veröffentlichte.
    Als Lobatschewski wenig später überlegte, ob unser dreidimensionales Universum möglicherweise hyperbolisch sei, regte er an, dass es möglich sein könnte, »ein Dreieck aus Sternen heranzuziehen, um diese Frage experimentell zu lösen«. Er schlug vor, den hellen Stern Sirius zu beobachten, wenn die Erde sich im Abstand von sechs Monaten auf der einen bzw. der anderen Seite ihrer Umlaufbahn um die Sonne befand. Aus Beobachtungen schloss er, jede Krümmung unseres Universums müsse wenigstens das 166000-Fache des Radius der Erdumlaufbahn betragen.
    Eine große Zahl, die aber in kosmischen Maßstäben verschwindend klein ist. Obwohl Lobatschewski den richtigen Einfall hatte, war er leider durch die Technik seiner Zeit eingeschränkt. 150 Jahre später hat sich das jedoch geändert. Das haben wir der wichtigsten Sammlung von Beobachtungen in der gesamten Kosmologie zu verdanken, den Messungen der Kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung ( CMBR : Cosmic Microwave Background Radiation ).
    Die CMBR ist nichts weniger als das Nachglühen des Urknalls. Sie liefert, sofern das noch nötig sein sollte, einen weiteren direkten Beweis dafür, dass der Big Bang wirklich stattgefunden hat. Sie ermöglicht es uns, direkt in die Vergangenheit zu blicken und die Natur des sehr jungen, heißen Universums aufzuspüren, aus dem alle heute sichtbaren Strukturen hervorgegangen sind.
    Zu den vielen bemerkenswerten Aspekten der Kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung gehört, dass sie ausgerechnet in New Jersey von zwei Wissenschaftlern entdeckt wurde, die wirklich nicht die geringste Ahnung hatten, wonach sie Ausschau hielten. Dazu kommt, dass sie uns jahrzehntelang praktisch vor Augen stand und potenziell hätte beobachtet werden können, uns aber vollkommen entging. Tatsächlich dürfte so mancher alt genug sein, dass er ihre Wirkungen gesehen hat, ohne sich darüber

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