Gletschergrab
Arnaldur Indridason
Gletschergrab
scanned 02-2005/V1.0
Die Eiskappe des Vatnajökull auf Island schmilzt. Die Streitkräfte der US-Basis Keflavík sind in Alarmbereitschaft, denn der Gletscher hütet ein Geheimnis: ein abgestürztes Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg mit brisanter Fracht. Vor der grandiosen Kulisse des ewigen Eises gerät eine junge Isländerin in Lebensgefahr. Sie weiß nur wenig, aber das ist schon zu viel für die Drahtzieher der »Operation Napoleon« …
ISBN: 3-404-15262-X
Original: Napóleonsskjölin
Aus dem Isländischen von Coletta Burling und Kerstin Bürling Verlag: Lübbe
Erscheinungsjahr: 2005
Umschlaggestaltung: Gisela Kullowatz
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
Autor
Arnaldur Indriðason Jahrgang 1961, war Journalist und Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung. Heute lebt er als freier Autor in Reykjavik und veröffentlicht mit sensationellem Erfolg seine Romane. Sie belegen seit Jahren die oberen Ränge der Bestsellerliste auf Island. In der Verlagsgruppe Lübbe sind bisher die Kriminalromane NORDERMOOR, TODESHAUCH
und ENGELSSTIMME erschienen, von denen zwei mit dem
»Nordic Crime Novel’s Award« ausgezeichnet wurden, ein einmaliger Erfolg in der Geschichte des renommierten Krimipreises. Mit Arnaldur Indriðason hat Island einen prominenten Platz auf der europäischen Krimilandkarte erobert.
»Operation Unthinkable« war der Codename für Churchills Plan, mit deutscher Unterstützung am Ende des Zweiten Weltkrieges die Sowjetunion anzugreifen.
The Daily Telegraph, 1998
1945
4
Auf dem Gletscher tobte ein Orkan.
Er konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Er konnte kaum den Kompass erkennen, den er in der Hand hielt. Umkehren war unmöglich, selbst wenn er gewollt hätte. Es gab auch nichts, wohin er sich hätte wenden können. Der Sturm biss ihn, peitschte ihm ins Gesicht und fegte ihm aus allen Richtungen harten und kalten Schnee entgegen. Der Schnee blieb in seiner Kleidung hängen, und bei jedem Schritt sank er bis übers Knie ein. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren und wusste nicht, wie lange er schon gelaufen war. Er konnte keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht ausmachen; dieselbe schwere Dunkelheit hatte ihn eingehüllt, seitdem er losgegangen war. Er wusste nur, dass er am Ende seiner Kräfte war. Er machte jeweils ein paar Schritte hintereinander, ruhte sich aus und ging dann weiter. Ein paar Schritte. Pause. Schritt. Pause. Schritt.
Pause. Schritt.
Den Absturz hatte er fast unverletzt überstanden. Andere hatten nicht so viel Glück gehabt. Das Flugzeug war plötzlich mit ohrenbetäubendem Lärm über den Gletscher geschlittert.
Für kurze Zeit hatte er Flammen aus einem der beiden Propeller schlagen sehen, bis plötzlich die ganze Tragfläche abriss und in der Dunkelheit und dem tosenden Sturm verschwand. Kurze Zeit später riss auch der andere Flügel unter Funkensprühen ab, und der flügellose Flugzeugtorso schoss wie ein Torpedo über den Gletscher.
Er selbst, der Pilot und drei andere waren bei der Bruchlandung angeschnallt gewesen, aber zwei aus der Gruppe hatten die Nerven verloren, als die Situation kritisch wurde. Sie waren in ihrer Panik von den Sitzen aufgesprungen und zur Pilotenkabine gestürmt. Beim Aufprall auf den Gletscher 5
schossen sie wie Gewehrkugeln durch die Maschine und waren auf der Stelle tot. Er hatte sich geduckt, sah sie erst gegen die Decke, dann gegen die Seitenwand des Flugzeugs prallen, bis sie an ihm vorbei in den hinteren Teil des Flugzeugs geschleudert wurden, wo ihre Schreie erstarben.
Der Torso schabte über den Gletscher und pflügte durch Eis und Schnee, bis er allmählich an Geschwindigkeit verlor und schließlich zum Stehen kam. Dann war auf einmal alles still, bis auf das Heulen des Sturms.
Er war der Einzige, der gleich hinaus in das Unwetter wollte, um zu versuchen, bewohnte Gebiete zu erreichen. Die anderen wollten abwarten, denn sie hofften darauf, dass sich der Sturm legen würde. Sie wollten zusammenbleiben. Er war nicht zu halten. Er wollte nicht Gefahr laufen, im Flugzeug eingeschlossen zu werden. Wollte nicht, dass es zu seinem Sarg wurde. Mit ihrer Hilfe rüstete er sich so gut wie möglich für den Marsch. Er war noch nicht lange in dem unablässig wütenden Schneesturm unterwegs gewesen, als er begriff, dass er besser bei den anderen im Flugzeug geblieben wäre. Nun war es zu spät.
Er versuchte, Kurs nach Südosten zu halten. Vor der Bruchlandung hatte er
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