Ein Universum aus Nichts
bloßem Auge oder Teleskopen wahrgenommen werden kann.
Im ungeheuren Maßstab der Galaxien ist die Gravitation die entscheidende wirksame Kraft. Wenn wir also die Bewegung von Objekten in diesen Größenordnungen messen, ist es uns möglich, die schwerkraftbedingte Anziehung zu sondieren, die diese Bewegung antreibt. Solche Messungen nahmen Anfang der 1970er mit der wegweisenden Arbeit der amerikanischen Astronomin Vera Rubin und ihrer Kollegen rasch zu. Rubin hatte ihren Abschluss mit einer Doktorarbeit in Georgetown gemacht. Dafür hatte sie Abendkurse besucht, während ihr Mann im Auto wartete – sie selbst konnte nicht fahren. Sie hatte sich in Princeton beworben, doch diese Universität nahm bis 1975 keine Frauen in ihr Graduiertenprogramm für Astronomie auf. Rubin gelang es, als zweite Frau überhaupt mit der Goldmedaille der Royal Astronomical Society ausgezeichnet zu werden. Diese Auszeichnung und ihre vielen anderen wohlverdienten Ehrungen erhielt sie für ihre bahnbrechenden Messungen zur Rotationsgeschwindigkeit unserer Galaxie. Rubin beobachtete Sterne und heiße Gase in immer größerer Entfernung vom Zentrum der Milchstraße und stellte fest, dass diese Bereiche viel schneller rotierten, als bislang vorhergesagt worden war. Dank ihrer Arbeit wurde den Kosmologen schließlich klar, dass diese Bewegung nur zu erklären war, wenn man von erheblich mehr Masse in der Milchstraße ausging, als man durch Addition der gesamten Massen des heißen Gases und der Sterne erhielt.
Diese Sicht brachte jedoch ein Problem mit sich. Genau jene Berechnungen, die die beobachtete Fülle leichter Elemente (Wasserstoff, Helium und Lithium) im Universum so schön erklären, teilen uns mehr oder weniger auch mit, wie viele Protonen und Neutronen, der Stoff normaler Materie, im Universum vorhanden sein müssen. Das liegt daran, dass die Menge des Endprodukts wie bei jedem Kochrezept – in diesem Fall für die nukleare Küche – davon abhängt, mit welchen Mengen an Zutaten man beginnt. Verdoppelt man die Rezeptangaben – etwa vier Eier statt zwei –, erhält man mehr von dem Endprodukt, in diesem Fall einem Omelett. Die aus dem Urknall hervorgehende ursprüngliche Dichte von Protonen und Neutronen im Universum, die mit der beobachteten Fülle von Wasserstoff, Helium und Lithium übereinstimmt, entspricht ungefähr der doppelten Menge an Bestandteilen, die wir in Sternen und heißem Gas sehen können. Wo sind diese Teilchen?
Möglichkeiten, Protonen und Neutronen zu verbergen, kann man sich leicht vorstellen (Schneebälle, Planeten, Kosmologen … keiner von ihnen leuchtet), und so sagten viele Physiker voraus, dass in dunklen Objekten ebenso viele Protonen und Neutronen vorhanden seien wie in sichtbaren Objekten. Wenn wir jedoch zusammenzählen, wie viel »Dunkle Materie« existieren muss, um die Bewegung der Bestandteile in unserer Milchstraße erklären zu können, zeigt sich, dass das Verhältnis von Materie insgesamt zu sichtbarer Materie nicht zwei zu eins beträgt, sondern eher bei zehn zu eins liegt. Wenn das kein Fehler ist, kann die Dunkle Materie nicht aus Protonen und Neutronen bestehen. Es gibt einfach nicht genug davon.
Anfang der 1980er Jahre erfuhr ich als junger Teilchenphysiker von der Möglichkeit, dass es exotische Dunkle Materie geben könnte, was ich überaus faszinierend fand. Denn das hieß buchstäblich, dass nicht die altmodischen normalen Protonen und Neutronen die vorherrschenden Teilchen im Universum waren, sondern möglicherweise eine neue, exotische Art von Elementarteilchen. Es konnte etwas sein, das es auf der heutigen Erde nicht gab – ein geheimnisvolles Etwas, das zwischen den Sternen und in ihrer Mitte schwebte und geräuschlos die gesamte Schwerkraft-Show antrieb, die wir als Galaxie bezeichnen.
Zumindest für mich war noch faszinierender, dass sich daraus drei neue Forschungslinien ergaben, welche die physikalische Natur der Realität grundlegend neu erhellen konnten.
Falls diese Teilchen wie die schon genannten leichten Elemente im Urknall entstanden sind, sollten wir Vorstellungen über jene Kräfte nutzen können, welche die Wechselwirkungen der Elementarteilchen steuern 10 , und so den Überfluss der möglichen neuen, exotischen Teilchen im heutigen Universum abschätzen.
Es wäre vielleicht möglich, den Gesamtüberschuss Dunkler Materie im Universum auf der Grundlage theoretischer Vorstellungen der Teilchenphysik abzuleiten, oder man könnte neue Experimente vorschlagen,
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