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Ein Universum aus Nichts

Ein Universum aus Nichts

Titel: Ein Universum aus Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence M Krauss
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stattfindet – entweder wird das Bild des Ausgangsobjekts vergrößert, oder es entstehen zahlreiche Kopien vom Bild dieses Objekts, von denen einige verzerrt sein können (siehe folgende Abbildung).

    Einstein berechnete die vorhergesagten Auswirkungen des Linseneffekts für einen fernen Stern durch einen dazwischenliegenden Stern im Vordergrund. Der so berechnete Effekt war so klein, dass er absolut unmessbar zu sein schien. Das veranlasste ihn zu der oben zitierten Bemerkung, wonach es unwahrscheinlich sei, dass ein solches Phänomen je beobachtet werden könne. Folglich glaubte Einstein, sein Aufsatz habe wenig praktischen Wert. In seinem Begleitbrief an den Redakteur von Science drückte er es damals so aus: »Erlauben Sie mir auch, Ihnen für Ihre Zusammenarbeit bei dieser kleinen Veröffentlichung zu danken, die Herr Mandl mir abgenötigt hat. Ihr Wert ist gering, doch sie macht den armen Kerl glücklich.«
    Doch Einstein war kein Astronom, und es bedurfte eines solchen, um zu bemerken, dass der von Einstein vorhergesagte Effekt vielleicht nicht nur messbar, sondern auch nützlich sein könnte. Der Nutzen stellte sich ein, als man ihn auf den Linseneffekt anwendete, den sehr große Systeme wie Galaxien oder gar Galaxien-Cluster auf sehr weit entfernte Objekte ausüben, und nicht auf die Auswirkung eines Sterns auf einen anderen. Innerhalb einiger Monate nach Einsteins Veröffentlichung legte der brillante Caltech-Astronom Fritz Zwicky der Physical Review einen Aufsatz vor, in dem er zeigte, wie genau diese Möglichkeit praktisch umzusetzen war. 12
    Zwicky war eine cholerische Persönlichkeit und seiner Zeit weit voraus. Schon 1933 hatte er die relative Bewegung von Galaxien im Coma-Cluster analysiert. Wie er mithilfe von Newtons Bewegungsgesetzen feststellte, waren die Galaxien dort so schnell unterwegs, dass sie eigentlich hätten auseinanderfliegen müssen, was den Galaxienhaufen zerstört hätte – es sei denn, der Cluster enthielt um den Faktor 100 mehr Masse, als durch die Sterne allein erklärt werden konnte. Demnach sollte man eigentlich Zwicky als den Entdecker der Dunklen Materie ansehen, doch damals war seine Folgerung so erstaunlich, dass die meisten Astronomen wahrscheinlich glaubten, es könne vielleicht eine weniger exotische Erklärung für das von ihm gelieferte Ergebnis geben.
    Zwickys nur eine Seite umfassender Aufsatz von 1937 war ebenso bemerkenswert. Er schlug drei verschiedene Anwendungen für Gravitationslinsen vor: (1) Überprüfung der Allgemeinen Relativität, (2) Nutzung von Galaxien als eine Art Teleskop, mit dem weiter entfernte, mit irdischen Fernrohren unsichtbare Objekte vergrößert werden konnten, und, als wichtigster Punkt, (3) Auflösung des Mysteriums, warum Cluster mehr zu wiegen scheinen, als durch sichtbare Materie erklärbar ist: »Beobachtungen der Ablenkung von Licht in der Umgebung von Nebeln liefern vielleicht die unmittelbarste Bestimmung für die Masse von Nebeln und könnten die oben angesprochene Diskrepanz erklären.«
    Zwickys Aufsatz ist inzwischen 75 Jahre alt, liest sich jedoch wie ein moderner Vorschlag, das Universum mithilfe von Gravitationslinsen zu sondieren. Tatsächlich ist jeder einzelne seiner Vorschläge umgesetzt worden, und der letzte hat von allen die größte Bedeutung. 1987 wurden erstmals ferne Quasare durch Gravitationslinsen beobachtet, und 1998, 61 Jahre nachdem Zwicky vorgeschlagen hatte, Nebel mithilfe von Gravitationslinsen zu wiegen, hat man die Masse eines großen Clusters mithilfe einer Gravitationslinse bestimmt.
    In jenem Jahr beobachteten der Physiker Tony Tyson und seine Kollegen bei den mittlerweile nicht mehr bestehenden Bell Laboratories 13 einen fernen großen Cluster mit der poetischen Bezeichnung CL 0024 + 1654 in etwa 5 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Auf dem schönen, mit dem Hubble-Weltraumteleskop aufgenommenen Bild auf Seite 58 erkennen wir das spektakuläre Beispiel der mehrfachen Abbildung einer fernen Galaxie, die noch weitere 5 Milliarden Lichtjahre hinter dem Cluster liegt. Man sieht sie als stark verzerrte und in die Länge gezogene Bilder inmitten der ansonsten allgemein runderen Galaxien.

    Der Anblick dieses Bildes gibt der Phantasie Nahrung. Erstens stellt jeder Punkt auf dem Foto eine Galaxie und keinen Stern dar. Jede davon umfasst vielleicht 100 Milliarden Sterne und dazu wahrscheinlich viele 100 Milliarden Planeten und möglicherweise lange untergegangene Zivilisationen. Lange untergegangen sage

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