Ein Universum aus Nichts
vorstellen.
Auch wenn Lithium für manche Menschen wichtig ist – für alle anderen sind die schwereren Atomkerne wie die von Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Eisen und so weiter weit wichtiger. Sie sind nicht im Verlauf des Urknalls entstanden, sondern konnten nur im feurigen Kern der Sterne hervorgebracht werden. Und es gibt nur einen Weg, auf dem sie heute in unsere Körper gelangt sein können – diese Sterne müssen so nett gewesen sein, zu explodieren und ihre Produkte in den Kosmos hinauszuspeien, damit die sich eines Tages in einem kleinen blauen Planeten in der Nähe des Sterns namens Sonne und seiner Umgebung vereinen konnten. Im Lauf der Geschichte unserer Galaxis sind etwa 200 Millionen Sterne explodiert. Diese Myriaden Sterne opferten sich, wenn man so will, damit wir eines Tages geboren werden konnten. Ich nehme an, das qualifiziert sie so gut wie sonst etwas für die Rolle als Erlöser.
Wie sich herausstellt, besitzt ein bestimmter Typ explodierender Sterne (Supernovae des Typs 1a) eine bemerkenswerte Eigenschaft, was während der 1990er Jahre durch sorgfältige Studien mit hoher Genauigkeit gezeigt werden konnte: Supernovae des Typs 1a, die intrinsisch (absolut) heller sind, strahlen auch für längere Zeit. Die Korrelation ist empirisch sehr gut abgesichert, auch wenn wir sie theoretisch nicht vollständig verstehen. Das heißt, diese Supernovae sind sehr gute »Standardkerzen«. Damit ist gemeint, dass diese Supernovae zur Kalibrierung von Entfernungen verwendbar sind, weil so durch eine von der Entfernung unabhängige Messung ihre absolute Helligkeit direkt festgestellt werden kann. Beobachten wir eine Supernova in einer fernen Galaxie – und das ist möglich, weil sie alle sehr hell sind –, so können wir feststellen, wie lange sie leuchtet, und daraus auf ihre absolute Helligkeit schließen. Wenn wir dann ihre Helligkeit mithilfe unserer Teleskope messen, können wir exakt ableiten, wie weit die Supernova und ihre Heimatgalaxie entfernt sind. Wenn wir nun die »Rotverschiebung« des Lichts von den Sternen in dieser Galaxie messen, können wir deren Geschwindigkeit bestimmen und somit die Geschwindigkeit mit der Entfernung vergleichen. Daraus erhalten wir die Expansionsrate des Universums.
So weit, so gut, aber wenn pro Galaxie nur ungefähr einmal in hundert Jahren eine Supernova explodiert, wie wahrscheinlich ist es dann, dass wir je eine sehen können? Denn die letzte Supernova in unserer Milchstraße, die auf der Erde bemerkt worden ist, wurde 1604 von Johannes Kepler gesehen! Es wird gern behauptet, Supernovae in unserer Milchstraße würden nur zu Lebzeiten der größten Astronomen gesehen, und Kepler erfüllt dieses Kriterium mit Sicherheit.
Kepler, der als bescheidener Mathematiklehrer in Österreich begonnen hatte, wurde Assistent des Astronomen Tycho Brahe, der seinerseits eine frühere Supernova in unserer Milchstraße beobachtet und dafür vom dänischen König eine eigene Insel erhalten hatte. Mithilfe der von Brahe während eines ganzen Jahrzehnts gesammelten Daten der Planetenpositionen am Himmel leitete Kepler Anfang des 17. Jahrhunderts seine berühmten drei Gesetze der Planetenbewegungen ab:
Planeten bewegen sich in Ellipsen um die Sonne.
Die Verbindungslinie (»Fahrstrahl«) zwischen einem Planeten und der Sonne überstreicht in gleichen Zeiträumen jeweils gleiche Flächen.
Das Quadrat der Umlaufzeit eines Planeten ist direkt proportional der dritten Potenz der großen Bahnhalbachse.
Diese Gesetze bilden ihrerseits die Grundlage für Newtons Ableitung des universellen Gravitationsgesetzes, das fast ein Jahrhundert später formuliert wurde. Neben diesem bemerkenswerten Beitrag zur Astronomie verteidigte Kepler auch seine Mutter erfolgreich in einem Hexenprozess und schrieb die vielleicht erste Science-Fiction-Story über eine Reise zum Mond.
Eine der Möglichkeiten, eine Supernova zu sehen, ergibt sich heutzutage schlicht dadurch, dass man jeder Galaxie am Himmel einen anderen Doktoranden zuweisen könnte. 100 Jahre unterscheiden sich schließlich nicht großartig von der durchschnittlichen Zeit, die zur Erlangung eines Doktorgrads erforderlich ist (zumindest in kosmischer Hinsicht), und Doktoranden sind billig und reichlich verfügbar. Zum Glück müssen wir jedoch nicht auf so extreme Maßnahmen zurückgreifen, und das aus einem einfachen Grund: Das Universum ist riesig und alt, und deshalb gibt es immerzu seltene Ereignisse.
Man sollte nachts einmal in die
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