Ein Universum aus Nichts
Energie durch Emission oder Absorption virtueller Teilchen geringfügig verändert sein kann. Folglich können virtuelle Teilchen, die null Energie abtransportieren, das letztlich ungestraft tun – sie können also für beliebig lange Zeit existieren und beliebig weit reisen, ehe sie absorbiert werden … was wiederum zur möglichen Existenz weitreichender Interaktionen zwischen geladenen Teilchen führt. Wäre das Photon nicht masselos, sodass Photonen aufgrund einer Ruhemasse stets Energie ungleich null mit sich führen, würde das Unbestimmtheitsprinzip Heisenbergs darauf hinauslaufen, dass das elektrische Feld nur kurze Reichweite besäße, weil Photonen sich dann nur für kurze Zeit ausbreiten könnten, ohne wieder absorbiert zu werden.
11. Kapitel
Schöne neue Welten
Es war die beste aller Zeiten.
Es war die schlimmste aller Zeiten.
Charles Dickens
Die Vorstellung einer Schöpfung ist mit einem zentralen Problem verknüpft: Anscheinend erfordert sie, dass zuvor ein Äußeres existiert – etwas, das außerhalb des Systems liegt und die notwendigen Bedingungen schafft, unter denen das System ins Dasein tritt. Hier kommt gewöhnlich die Vorstellung von Gott ins Spiel – als einer äußeren Instanz, die getrennt ist von Raum, Zeit und tatsächlich auch von der physischen Realität, weil die Geschichte schließlich irgendwo zu einem Ende kommen muss. In diesem Sinn erscheint mir Gott eher als eine ziemlich einfache semantische Lösung für die tiefgründige Frage nach der Schöpfung. Das lässt sich, meine ich, am besten im Zusammenhang mit einem nur wenig davon abweichenden Beispiel erläutern – dem Ursprung der Moral, ein Beispiel, das ich über meinen Freund Steven Pinker kennengelernt habe.
Ist die Moral eine uns von außen auferlegte Instanz, oder ist sie lediglich aus dem Zusammenhang unserer Biologie und unserer Umwelt abgeleitet und kann deshalb auf wissenschaftliche Weise bestimmt werden? Während einer von der Arizona State University organisierten Debatte zu diesem Thema legte Pinker das folgende Rätsel vor.
Wenn man wie viele tief religiöse Menschen vorbringt, ohne Gott könne es kein endgültiges Richtig oder Falsch geben – das heißt, Gott legt für uns fest, was richtig oder falsch ist –, so kann man die Frage stellen, was denn wäre, wenn Gott verfügte, dass Vergewaltigung und Mord moralisch annehmbar seien. Wären diese Taten dann tatsächlich moralisch zu billigen?
Auch wenn so mancher mit Ja antworten dürfte, bin ich der Meinung, die meisten Gläubigen wären der Ansicht, dass Gott so etwas nicht verfügen würde. Aber warum nicht? Vermutlich, weil Gott irgendeinen Grund hätte, nichts in dieser Art zu erlassen. Das wiederum liegt wohl daran, dass die Vernunft nahelegt, Vergewaltigung und Mord seien moralisch nicht zu akzeptieren. Wenn Gott aber auf die Vernunft zurückgreifen müsste – warum sollte man dann den Vermittler nicht ganz aus dem Spiel lassen?
Eine ähnliche Argumentation lässt sich vielleicht auf die Entstehung unseres Universums anwenden. Alle Beispiele, die ich bislang geliefert habe, schließen tatsächlich ein, dass etwas hervorgegangen ist aus dem, was man als Nichts zu bezeichnen versucht ist, wohingegen die Regeln , also die Gesetze der Physik, vorgegeben sind. Woher kommen diese Regeln?
Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder sie werden von Gott oder einem göttlichen, nicht an die Regeln gebundenen und außerhalb von ihnen existieren Wesen festgelegt (entweder aufgrund einer Laune oder in bestimmter Absicht), oder sie gehen aus einem weniger übernatürlichen Ablauf hervor.
Wenn man annimmt, Gott bestimme die Regeln, so ergibt sich das Problem, dass man zumindest fragen kann, was oder wer die Regeln für Gott festgelegt hat. Darauf erhält man gewöhnlich die Antwort, Gott sei – neben seinen vielen anderen spektakulären Merkmalen – die Ursache aller Ursachen , wie es die römisch-katholische Kirche formuliert, oder die Erste Ursache (so Thomas von Aquin) oder in der Sprache des Aristoteles der Erste Beweger .
Interessant ist, dass Aristoteles das mit einer Ersten Ursache verknüpfte Problem erkannte und deshalb zu dem Schluss kam, das Universum müsse ewig sein. Zudem musste Gott, den er als reines, in sich selbst aufgehendes Denken ansah, dessen Liebe den Ersten Beweger veranlasste, die Bewegung anzustoßen, auch selbst ewig sein; er verursachte die Bewegung nicht dadurch, dass er sie erschuf, sondern legte vielmehr den finalen Zweck der
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