Ein Universum aus Nichts
virtuellen Teilchen, die das ansonsten leere Vakuum des Raums bevölkern.
Wir sollten jedoch daran denken, dass ein reales elektrisches Feld ungleich null, das noch in großen Entfernungen von geladenen Teilchen gemessen werden kann, aus der kohärenten, von der Ladung stammenden Emission vieler virtueller Photonen der Energie null hervorgehen kann. Das liegt daran, dass virtuelle Photonen der Energie null nicht gegen die Energieerhaltung verstoßen, wenn sie emittiert werden. Das Heisenberg’sche Unbestimmtheitsprinzip beschränkt sie demnach nicht darauf, nur für sehr kurze Zeiträume zu existieren, ehe sie wieder absorbiert werden müssen und im Nichts verschwinden. 47
Ein ähnliches Argument deutet darauf hin, dass wir uns einen spezifischen Typus von Universum vorstellen können, der vielleicht spontan auftaucht und nicht wegen der Einschränkungen durch das Unbestimmtheitsprinzip und die Energieerhaltung wieder verschwinden muss. Und das wäre ein Universum mit der Gesamtenergie null.
Nun würde ich nichts lieber vorschlagen, als dass dieses Universum genau jenes ist, in dem wir leben. Das wäre der einfache Ausweg, doch hier bin ich eher daran interessiert, dem aktuellen Verständnis des Universums treu zu bleiben, anstatt scheinbar einfach und überzeugend für eine Entstehung aus dem Nichts zu plädieren.
Ich hoffe, überzeugend dargelegt zu haben, dass die Newton’sche Gravitationsenergie eines jeden Objekts in unserem flachen Universum durchschnittlich gleich null ist. Und das ist der Fall. Doch das ist noch nicht alles. Die Gravitationsenergie entspricht nicht der Gesamtenergie eines beliebigen Objekts. Zu dieser Energie müssen wir noch seine mit der Ruhemasse zusammenhängende Ruheenergie addieren. Man kann es auch so ausdrücken: Wie wir erfahren haben, beträgt die Gravitationsenergie eines in Ruhe befindlichen, von allen anderen Objekten unendlich weit entfernten Objekts null. Denn wenn es sich nicht bewegt, besitzt es keine kinetische Energie, und wenn es unendlich weit von allen anderen Teilchen entfernt ist, liegt die auf andere Teilchen zurückzuführende Schwerkraft, die potenzielle Energie zum Verrichten von Arbeit bereitstellen könnte, letztlich ebenfalls bei null. Doch laut Einstein ist die Gesamtenergie des Objekts nicht allein der Schwerkraft geschuldet, sondern schließt auch die Energie ein, die mit seiner Masse zusammenhängt, weshalb die berühmte Formel E = mc 2 gilt.
Um diese Ruheenergie einzubeziehen, müssen wir von der Gravitation Newtons zur Allgemeinen Relativität übergehen, die definitionsgemäß die Effekte der Speziellen Relativität (und E = mc 2 ) in einer Theorie der Gravitation zusammenfasst. Und hier wird es sowohl komplizierter als auch verwirrender. Auf Skalen, die im Vergleich zur möglichen Krümmung eines Universums klein sind, und solange alle Objekte innerhalb dieser Größenordnungen sich im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit langsam bewegen, fällt die aus der Allgemeinen Relativität abgeleitete Version der Energie auf die uns vertraute Version Newtons zurück. Wenn diese Bedingungen jedoch erst einmal nicht mehr gelten, ist (fast) alles möglich.
Unter anderem besteht das Problem darin, dass Energie, wie wir sie normalerweise in der Physik auffassen, auf großen Skalen in einem gekrümmten Universum kein besonders gut definiertes Konzept ist. Wenn verschiedene Beobachter Koordinatensysteme unterschiedlich definieren, um den Punkten in Raum und Zeit die jeweils verschiedenen Etiketten zuzuweisen (das nennt man »unterschiedliche Bezugsrahmen«), so kann das in großen Maßstäben dazu führen, dass die Gesamtenergie des Systems jeweils abweichend bestimmt wird. Um diesen Effekt einbeziehen zu können, müssen wir das Energiekonzept verallgemeinern. Wenn wir außerdem die in jedem beliebigen Universum enthaltene Gesamtenergie definieren sollen, müssen wir überlegen, wie wir die Energie in Universen aufaddieren können, deren räumliche Ausdehnung vielleicht unendlich groß ist.
Es gibt eine Menge Diskussionen darüber, wie das genau zu bewerkstelligen sei. Die wissenschaftliche Literatur ist diesbezüglich voll von Behauptungen und Gegenbehauptungen.
Eines ist jedoch gewiss: Es gibt ein Universum, in dem die Gesamtenergie definitiv und genau null beträgt. Dabei handelt es sich aber nicht um ein flaches Universum, dessen räumliche Ausdehnung im Prinzip unendlich ist, und damit wird die Berechnung der Gesamtenergie problematisch. Es ist ein
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