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Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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Schreiben seines Anwalts - oder was immer fern seinen botanischen Interessen lag.
    Da sie aber niemals einen einzigen Brief von Mr. Carsington zu Gesicht bekommen hatte, wusste sie auch nicht, was er geschrieben hatte und was ihr Vater ihm geantwortet haben mochte.
    Wenn sie beim Abendessen nicht völlig unvorbereitet erscheinen wollte, sollte sie diese Wissenslücke nun besser rasch schließen.
    Und deshalb hielt sie sich nicht lange auf, bevor sie Mr. Carsington der Dienerschaft überließ, die sich darum kümmern würde, seine „unpassende“ Garderobe zu trocknen und abzubürsten und was immer noch er für seine Toilette brauchte.
    Doch einen Moment verharrte Mirabel und sah ihm nach, wie er davonhumpelte, und wünschte sich sogleich, dass sie es nicht getan hätte: Denn ihr wurde auf einmal ganz warm ums Herz, als ob sie sich nach ihm sehne, was natürlich töricht war.
    Sie hatte geholfen, Verwundete zu pflegen, die weitaus schlimmere Verletzungen davongetragen hatten. Sie kannte Männer als auch Frauen, die ebenso viel durchlitten hatten wie er, wenn nicht gar mehr. Sie wusste von einigen, die tapfer gewesen waren, genau wie er, und denen dennoch nicht annähernd so viel Bewunderung gezollt wurde. Und überhaupt, sagte sie sich, er wirkte viel zu elegant und selbstsicher, als dass er ihres Mitleids bedurft hätte.
    Mirabel verbannte das lahmende Bein in den hintersten Winkel ihrer Gedanken und eilte zum Studierzimmer ihres Vaters.
    Wie Joseph ganz richtig berichtet hatte, lag der Kalender seines Herrn mit dem heutigen Datum aufgeschlagen auf dem Schreibtisch, und der Termin war sorgfältig eingetragen.
    Mirabel durchwühlte den Schreibtisch, fand aber keine Spur von Mr. Carsingtons Brief. Wahrscheinlich hatte Papa ihn in die Tasche gesteckt und dann Feldnotizen daraufgekritzelt. Oder ihn verloren. Die Abschrift seiner Antwort war glücklicherweise erhalten geblieben - er hatte sie in sein Notizbuch geschrieben anstatt auf ein loses Blatt Papier.
    Der Brief war auf zehn Tage zuvor datiert und enthielt genau das, was Mr. Carsington erwähnt hatte: Ihr Vater signalisierte sein Interesse, zeigte sich mit der Tragweite des Vorhabens vertraut und versicherte seine Bereitschaft, den Kanal ausführlicher besprechen zu wollen.
    Nachdem Mirabel die Worte gelesen hatte, musste sie schlucken.
    In diesem Brief sah sie den Vater wieder, den sie einst gekannt hatte. Der an vielerlei Dingen und Menschen interessiert war, der gern redete - und auch aufmerksam zuhörte, sogar dem Geplapper eines kleinen Mädchens. Sie erinnerte sich noch daran, wie sie während der zahlreichen Abendessen, der Kartenrunden und Gesellschaften heimlich auf der Treppe gesessen und den Stimmen unten gelauscht hatte. Und wie oft mochte sie mit angehört haben, wie er sich mit ihrer Mutter unterhielt, bei Tisch, in der Bibliothek, dem Salon oder in diesem Studierzimmer?
    Doch seit dem Tod ihrer Mutter vor fünfzehn Jahren hatte sich sein Interesse zunehmend auf das Leben der Pflanzen gerichtet anstatt auf das seiner Mitmenschen. Wenn er bei Gelegenheit einmal aus dem Reich der Botanik auftauchte, was selten genug geschah, dann war es immer nur für kurze Zeit.
    Mirabel musste die letzte solche Gelegenheit verpasst haben. Er schien von seiner Umgebung Notiz genommen zu haben, während sie einige Tage lang in Cromford bei ihrer einstigen Gouvernante zu Besuch gewesen war.
    Während dieses Besuches hatte Mirabel sich auch den Hut gekauft, mit dessen Bändern sie sich heute Nachmittag schier erdrosselt hatte.
    Nach wie vor konnte sie es nicht fassen, dass sie sich von diesem Mann so völlig aus der Ruhe hatte bringen lassen! Schließlich hatte sie mit Leuten seiner Art schon früher einmal Bekanntschaft gemacht.
    Sie kannte diese kultivierten Stimmen, den trägen Tonfall und das leichte Lispeln, das einige der Reichen und Schönen aufsetzten, kannte das Gelächter, den Klatsch und die Koketterien.
    Auch Stimmen wie die seine hatte sie vernommen, so tief und wohlklingend, dass sie selbst der belanglosesten Bemerkung noch den Anschein größter Vertraulichkeit gaben und jedes Klischee wie ein köstliches Geheimnis klang.
    „Habe ich alles schon einmal gehört und gesehen“, murmelte sie vor sich hin. „Er ist nichts Besonderes, einer dieser Londoner Gecken, die uns für Landeier und Bauerntölpel halten. Dumme Hinterwäldler, die nicht wissen, was gut für sie ist.“    
    Mr. Carsington sollte schon bald entdecken, dass er sich täuschte.
    Bis dahin

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