Ein unverschaemt charmanter Getleman
romantische Landpartie machten, wurde ihre Kutsche von Gendarmen angehalten, die Diebesgut in Gemmas Gepäck fanden. Sie behauptete, dass eifersüchtige Rivalen ihr eine falsche Beweislast anhängen wollten, und Alistair glaubte ihr. Seine leidenschaftliche Rede, in der er Komplotte im Allgemeinen und korrupte Gesetzeshüter im Besonderen anklagte, lockte eine Menge Schaulustiger herbei, die bald außer Kontrolle geriet, wie Menschenmengen das oft an sich haben. Der Riot Act wurde verlesen und Alistair gemeinsam mit seiner langfingrigen Geliebten in Gewahrsam genommen. Lord Hargate kam einmal mehr zu seiner Rettung.
Mit einundzwanzig war es Aimée, eine französische Balletttänzerin, die Alistairs bescheidene Junggesellenräume in ein elegantes Appartement verwandelte. Dort gaben sie rauschende Feste, die bald in der Londoner Halbwelt berühmt waren. Da Aimées Geschmack es durchaus mit dem der verschiedenen Marie Antoinettes aufnehmen konnte und es Alistair nicht im Traum eingefallen wäre, ihr einen Wunsch zu versagen, fand er sich bald im Schuldnerarrest wieder - der letzten Stufe vor dem Gefängnis. Der Earl beglich die astronomisch hohen Schulden, brachte Aimée bei einer umherziehenden Balletttruppe unter und ließ Alistair wissen, dass es an der Zeit sei, sich mit achtbaren Menschen zu umgeben und sich nicht länger zum allgemeinen Gespött zu machen.
Mit dreiundzwanzig war es Lady Thurlow, Alistairs erste und einzige verheiratete Liebschaft. In der vornehmen Gesellschaft pflegt man eine ehebrecherische Beziehung mit der größten Diskretion zu behandeln, um den Ruf der Dame zu schützen und ihrem Gemahl unerfreuliche Duelle und rechtliche Schritte zu ersparen. Doch da Alistair mit seinen Gefühlen nur schlecht an sich halten konnte, sah Lady Thurlow sich genötigt, die Beziehung zu beenden. Leider hatte ein Diener Alistairs Liebesbriefe gestohlen und drohte nun mit deren Veröffentlichung. Um seine Geliebte vor dem Skandal und einem verärgerten Gatten zu bewahren, musste Alistair, der sich außerstande sah, das recht beachtliche Schweigegeld aufzubringen, seinen Vater um Hilfe bitten.
Mit siebenundzwanzig beging er seine größte Dummheit -Judith Gilford war das einzige Kind eines vermögenden, soeben in den Ritterstand erhobenen Witwers. Sie trat zu Beginn des Jahres 1815 in Alistairs Leben. Schon bald entledigte er sich aller ihrer Rivalinnen, und im Februar wurde die Verlobung bekannt gegeben. Bereits im März befand er sich mitten im Fegefeuer.
In der Öffentlichkeit war Judith lieblich anzusehen und eine charmante Gesprächspartnerin. Im Privaten jedoch begann sie zu schmollen oder bekam einen Wutanfall, sobald sie nicht sofort genau das bekam, was und wann sie es wollte. Sie verlangte, dass alle Aufmerksamkeit stets einzig und allein auf sie gerichtet war. Ihre Gefühle waren leicht zu verletzen, aber sie nahm wenig Rücksicht auf die Gefühle anderer. Zu ihrer Familie und zu ihren Freunden war sie unfreundlich, die Bediensteten behandelte sie schlecht, und wenn jemand versuchte, ihre Launen oder ihre Worte zu zügeln, wurde sie geradezu hysterisch.
Und so kam es, dass Alistair schon im März zutiefst verzweifelt war, denn für einen Gentleman geziemte es sich nicht, eine Verlobung zu lösen. Und da auch Judith dies nicht zu tun beabsichtigte, blieb ihm nur zu hoffen, dass er von einem Pferd zu Tode getrampelt, in die Themse gestürzt oder von Wegelagerern erstochen würde. Eines Nachts, als er sich auf dem Weg in ein sehr zweifelhaftes Viertel befand, wo ein gewaltsamer Tod recht wahrscheinlich war, stolperte er indes - und er wusste kaum, wie ihm geschah - in die tröstenden Arme einer üppigen Kurtisane namens Helen Waters.
Alistair verliebte sich einmal mehr unbesonnen und beging einmal mehr eine Indiskretion. Judith fand alles heraus, machte furchtbare Szenen in der Öffentlichkeit und drohte mit rechtlichen Schritten. Die Klatschmäuler waren begeistert. Lord Hargate hingegen nicht. Ehe er es sich recht versah, fand Alistair sich auf einem Schiff wieder, das in Richtung des Kontinents ablegte.
Gerade rechtzeitig für Waterloo.
Und damit war er am Ende der Liste angekommen.
Mit erhitztem Gesicht humpelte Alistair vom Fenster herüber, wo er sich alles durchgelesen hatte, und legte die Papiere auf den wuchtigen Schreibtisch, hinter dem sein Vater saß und ihn beobachtete.
Mit einer Unbeschwertheit, die er keineswegs empfand, sagte Alistair: „Bekomme ich mildernde Umstände dafür, dass
Weitere Kostenlose Bücher