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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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Schlucht entstanden ist.
    Sechs Millionen Jahre …
    Und ganz unten gibt es präkambrische Felsarten, die die über zwei Millionen Jahre alt sein sollen. Weiter oben funkeln an den Wänden Sandstein, Schiefer und Kalkstein aus paläozoischer und mesozoischer Zeit. Im Morgengrauen erschaffen die Steine ein fantastisches Lichtspiel, das mit nichts anderem vergleichbar ist – der Fels hat sein eigenes Nordlicht.
    Die vielen Tage und Nächte, an denen Madeleine und Andreas mit dem Gedanken spielten, dorthin zu fahren, um die Steine in all ihren unbeschreiblichen Farben leuchten zu sehen. Ein Traum, natürlich, aber trotzdem. Endlos hatten sie darüber gesprochen, wie verblüffend es war, sich eine Welt sechs Millionen Jahre vor unserer Zeit vorzustellen und sich auszumalen, wie die Welt erschaffen wurde, die wir heute kennen. Zahlen, die sich in ihren Kopf eingebrannt hatten.
    Welche Rolle spielte es, ob ein Canyon eine Million oder sechs Millionen Jahre alt war?
    Der Unterschied entzog sich ohnehin dem menschlichen Fassungsvermögen, dachte Madeleine.
    Es waren Ziffern, unfassbare Zahlen und Werte, die ihre Bedeutung verloren hatten, als sie sie nicht mehr mit Andreas betrachten und bestaunen konnte.
    Nichts bedeuteten sie, nichts.
    Sie waren tote Gegenstände.
    Hatten, außer in ihrem Kopf, niemals existiert.
    Als würde man in den Weltraum starren und sich beim Anblick einer Sternschnuppe etwas wünschen. Man sah in der pechschwarzen Unendlichkeit etwas funkeln und nahm sich das Recht, einen Wunsch zu äußern. Aber warum funkelte es? Es mochte ebenso gut ein Planet wie die Erde gewesen sein, der ins Nichts explodierte.
    Unter Umständen waren Millionen Menschen gestorben oder Hunderte Millionen.
    Ja, oder andersartige Menschen, dachte sie, die womöglich ganz anders waren als wir selbst, aber trotz allem Lebewesen .
    Fort. In weniger als einer Sekunde.
    Der kurze letzte Atemzug.
    Es fiel ihr schwer, sich zu sammeln. Und Poul starrte sie an. Immer wieder musste sie schlucken, damit ihr Mund nicht zu trocken wurde.
    Sie versuchte es noch einmal, setzte noch einmal an.
    »Hör mir gut zu, Poul Bjerre. Es gibt etwas, das ich dir erzählen will. Das ich dir erzählen muss.«
    Sie trank einen Schluck Wasser und sah, dass ihre Hand zitterte, als sie das Glas auf den Tisch setzte.
    »Hedvig und ich standen in der winzigen Küche in der Pension in Tyringe. Du kennst doch Hedvig af Petersen, oder? Ich kann dir sogar noch sagen, was wir gekocht haben. Dillfleisch mit Kartoffeln. Andreas hatte das Gericht vorgeschlagen, und wir hatten beide die Nase gerümpft, Hedvig und ich mögen Dillfleisch nicht besonders. Aber gut. Da standen wir also und kochten Fleisch und Kartoffeln, rührten ab und zu ein bisschen in den Töpfen, tratschten über unsere Freunde, wie man das eben so macht. Andreas saß im Schlafzimmer und arbeitete, was er seit dem Frühstück getan hatte. Wir hatten ihm versprochen, ihn nicht zu stören, bis das Essen fertig sein würde. Es war ziemlich genau halb fünf. Ich wollte ihn holen gehen, klopfte an die Tür, bekam aber keine Antwort, was allerdings nicht weiter ungewöhnlich war, wenn er sich in seine Arbeit vertieft hatte. Als ich eingetreten war, sah ich, dass er nicht am Schreibtisch saß, sondern in seinem schmalen Bett lag. Auch das war nicht besonders ungewöhnlich, manchmal arbeitete er so intensiv, dass er sich hinlegen und einen Moment ausruhen musste. Aber ich sah sofort, dass er ein bisschen verquer lag, nicht auf der linken Seite wie sonst. Vielleicht wusste ich da schon Bescheid. Jedenfalls ging ich zu ihm, um ihn vorsichtig zu wecken und ihm zu sagen, dass das Essen fertig war. Ich machte mir Sorgen, dass er vielleicht gar nichts essen wollte. Er litt ja seit langem an Appetitlosigkeit, und wegen seiner Bauchspeicheldrüsenentzündung konnte er längst nicht mehr alles essen. Also ging ich zu ihm und rüttelte sanft an seiner Schulter, aber er reagierte nicht. Vielleicht hätte ich da schon Bescheid wissen müssen. Aber ich bin manchmal einfach so dumm. Ich streichelte seine Wange mit dem Handrücken, um ihn zu wecken, und merkte im selben Moment, dass etwas nicht stimmte. Ja, ernstlich nicht stimmte. Aber trotzdem … erst als ich die ordentlich aufgestellten Briefe auf dem Nachttisch sah, begriff ich, was los war. Er hatte sich das Leben genommen.«
    Poul schwieg und sah sie unergründlich an. Er saß da, als wäre sein Blick in weite Ferne gerichtet, er schien kaum anwesend zu

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