Ein unversoehnliches Herz
zwanghaften Konformismus erzeugen. Du hockst auf Vårstavi in festgelegten Normen und kannst nicht verstehen, wenn andere Menschen Ansichten zu ihnen haben.
Du siehst von diesem Elfenbeinturm aus, den du dir errichtet hast, nichts Unwillkommenes mehr. Du blickst auf deine Besitztümer und weigerst dich, etwas zu akzeptieren, das gegen deine strengen Ideale verstößt. Ganz Vårstavi ist zu einem Mausoleum für deine schönen Triebe geworden. Mach die Augen auf, Mensch!
Ich wünschte, Poul, du könntest das verstehen, statt immer nur meine Triebe zu sehen. Aber sag über sie, was du willst. Ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich nie in Konventionen stecken geblieben bin; wenn es einen drängt, Mauern einzureißen, erbaut man keine.
Dagegen hast du in deinem Leben nie etwas anderes getan. Stein auf Stein hast du zu Vårstavi zusammengefügt, der Burg deiner Einsamkeit. Seither sitzt du dort, ratlos, weigerst dich aber, die Wahrheit zu akzeptieren, selbst wenn sie dich anspringen würde.
Dann merkst du plötzlich, dass dich eine Fliege umschwirrt. Sie muss einen warmen Spalt im Gebälk gefunden haben, in dem sie die Wintermonate übersteht. Wenn du so in deinem Lieblingssessel vor dem offenen Kamin im unteren Flur in Gedanken versunken sitzt, sind dir nicht selten deine persönlichsten Gedichte gelungen. Fast alle hast du Gunhild gewidmet.
Wenn du mich fragst, sind es ausnahmslos die leidenschaftlichen Verse eines Stümpers.
Es ist schon eigenartig, denkst du, wenn man etwas Künstlerisches erschafft, geschieht es auf so unterschiedliche Art. Du genießt die gedankliche Arbeit und das Private am Schreiben von Gedichten genauso wie die schweißtreibende und körperlich belastende Bildhauerei. Ein wenig anders ist es natürlich, wenn du deine wissenschaftlichen Texte verfasst, sie liegen in gewisser Weise dazwischen, erfordern geistige und körperliche Arbeit. Jeder Gedanke soll gemeißelt werden, als wäre er für ein Gedicht bestimmt.
Doch nun, zwischen Wachen und Schlafen, scheint dich alle Kraft verlassen zu haben. In all den Jahren kein freier Moment, auch wenn du es dir immer so und nicht anders gewünscht hast. Die Arbeit ist für dich stets Freizeit gewesen, die Ärmsten, die beides voneinander trennen müssen, pflegst du zu sagen. Du siehst es oft genug in deiner Praxis, wie es die Menschen zerreißt zwischen der Person, als die sie sich sehen, und der Person, die sie im wirklichen Leben sind, siehst all die Kreativität, die sich unter dem Zwang zur Anpassung verbirgt.
Du weißt, genau wie ich bist du finanziell unabhängig, dank Vater natürlich, dessen größte Angst es immer war, alles Geld zu verlieren, das er verdient hat. Von ihm hast du allerdings ler nen müssen, mit deinem Geld sparsam umzugehen. Ausge rechnet Menschen, die in einen bescheidenen privaten Reichtum hineingeboren werden, sind am ehesten bereit, Geld zu investieren, ohne seinen Wert zu erkennen. Das hat er immer wieder gesagt, ehe er hinzugefügt hat: Nicht selten verlieren sie alles.
Du hast Vaters Rat immer beherzigt. Aber was soll man über die restliche Familie sagen? Die ebenso aufgeblasenen wie maroden Geschäfte der Männer unserer Schwestern, die dazu führten, dass sie am Ende zahlungsunfähig waren.
Um mich stand es noch schlimmer, da ich laufend für große Ausgaben sorgte, vor allem in Bezug auf Sören Christer. Ich habe mich des Öfteren gefragt, ob er das Geld gefressen hat. Früher oder später würde ich dazu verdammt sein, einen Offenbarungseid leisten zu müssen. Deshalb musste ich unterrichten, auch wenn ich eigentlich mit Fieber ins Bett gehört hätte. Aber mir blieb keine Wahl, Poul, was immer du und andere glauben mögen.
Du bist sehr stolz darauf, dass nicht nur wohlhabenden Menschen die Möglichkeit offen steht, deine Praxis aufzusuchen. Das ist dir immer ein Anliegen gewesen. Obwohl ich mich im Grunde frage, ob das wirklich so edel ist, wie es klingt. Du findest nämlich, dass sie formbarer sind und williger anzuhören als Wohlhabende, die für ihr Geld Ergebnisse sehen wollen, ohne selbst etwas dafür tun zu müssen.
So willst du sie haben, die Menschen: formbar.
Jetzt kommt diese verfluchte Fliege wieder zurück. Du würdest sie am liebsten totschlagen, findest aber nichts in deiner Reichweite, was sich als Fliegenklatsche nutzen ließe. Die Tageszeitung hat Signhild natürlich dorthin gelegt, wo du sie haben willst, auf den Schreibtisch, und eine alte Zeitung ist nirgendwo zu sehen. Aber bevor du
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