Ein unversoehnliches Herz
eine Hand auf die Schulter seines Vaters. Sören nickte und wirkte zufrieden. Schön, schön , sagte er und kratzte sich an der Wange. Dann wurde sein Blick matter und ihm fielen die Augen zu, der Mund klappte herab. Er atmete tiefer und schlief ein. Kurz darauf kam wie aus dem Nichts das Schnarchen – ein tiefes und langgezogenes Ein- und Ausatmen.
Poul und Andreas sahen sich steif an und standen längere Zeit wie gelähmt im Zimmer. Sie wurden dadurch gerettet, dass es an die Tür klopfte und Doktor Belfrage den Raum betrat. Er begrüßte sie freundlich, auch wenn er ihre Namen verwechselte. Weder Poul noch Andreas berichtigten ihn. Er holte sein Stethoskop heraus, horchte Sören ab und nickte, als deutete das Ergebnis auf eine deutliche Verbesserung hin.
»Er ist schon wieder viel kräftiger«, erläuterte er und lächelte.
Poul und Andreas beschlossen, das Zimmer zu verlassen und Doktor Belfrage in Ruhe arbeiten zu lassen. Sie hörten die Stimmen der anderen im Salon und gingen in ihre Richtung. Kurz bevor sie eintraten, packte Poul Andreas am Arm.
»Andreas, was Vater da eben gesagt hat, war sehr unglücklich. Gib nichts darauf, was er darüber gesagt hat von wegen zu verkommen … wenn man so krank ist wie er, kommt es oft vor …«
»Keine Sorge, Poul, das macht mir nichts aus. Im Gegenteil. Ich weiß, dass er so etwas niemals gesagt hätte, wenn er nicht in Wahrheit überzeugt wäre, dass ich nicht dem Alkohol verfalle. Er weiß heute, dass ich etwas aus meinem Leben machen werde. Deshalb hat er das gesagt. Früher hätte er es nie gesagt, jetzt hat er es gewagt, jetzt ist er von seiner Sorge befreit.«
»Glaubst du?«
»Ich bin mir sicher.«
Poul verschränkte die Arme vor der Brust und schien nachzudenken. Dann nickte er Andreas zu.
»Ich muss heute Abend noch den letzten Zug nach Stockholm erwischen. Ich kann nicht noch mehr Patienten absagen. Kommst du hier klar? Es scheint, als hätte sich die Lage deutlich verbessert …«
»Natürlich. Sollte sich sein Zustand verändern, rufe ich dich sofort an.«
Andreas wies Poul mit dem Arm den Weg in den Salon. Dann konnte er es nicht lassen:
»Nach Ihnen, Doktor Bjerre.«
Poul blieb sekundenlang stehen, ehe er schwerfällig nickte und zu den anderen hineinging.
Es schneite weiter, die gleichen großen Schneekristalle, die sacht zur Erde taumelten. Mittlerweile war es jedoch kälter geworden, und so durften sie auf dem Bürgersteig und der Straße vor dem Fenster liegen bleiben.
Ganz Göteborg wurde zu Bett gebracht.
Andreas unterschrieb den Expressbrief an Madeleine. Sie hatten beschlossen, die Entscheidung, ob sie später in der Woche anreisen sollte, bis zum Abend zu vertagen. Sie hatten ja nicht gewusst, wie ernst der Zustand seines Vaters sein würde. Inzwischen schien er laut Doktor Belfrage allerdings auf dem Weg der Besserung zu sein, und außerdem würde Poul heimreisen, was die Angelegenheit rein praktisch leichter machte. Andreas glaubte zudem nicht, dass seine Schwestern länger als unbedingt nötig bleiben würden.
Am wichtigsten, entschied er, war jetzt, dass sein Vater endlich Madeleine kennenlernte. Ihre Begegnung würde gut verlaufen, davon war er überzeugt, obwohl die Liebe seines Vaters zu Amelie immer groß bleiben würde. Er war sich jedoch sicher, dass im Herzen seines Vaters Platz für eine weitere Schwiegertochter war.
Er faltete den Brief zusammen und stieg die schmale Treppe hinab. Er hörte keine Stimmen aus dem Salon, und es kam ihm ein wenig seltsam vor, dass es so still war. Waren Ellen und Maria schon zu Bett gegangen?
Ein Blick auf die Uhr. Er begriff nicht, wo sie alle waren. Poul konnte doch nicht schon auf dem Weg zum Zug sein? Er warf einen Blick in das Schlafzimmer seines Vaters, um nachzusehen, ob sich die anderen dort aufhielten. Aber es brannte kein Licht in dem Zimmer, und er hörte nichts als die schweren Atemzüge seines Vaters.
Er kehrte zum Salon zurück, aber als er gerade rufen wollte, um herauszufinden, wo alle steckten, hörte er Stimmen, die merkwürdig gedämpft klangen, so als würde man flüstern, um seine Stimme leiser zu machen, dadurch jedoch die umgekehrte Wirkung erzielte.
Er begriff nicht, warum sie flüsterten, spitzte die Ohren und trat einen Schritt näher an die Tür zum Zimmer seiner Mutter heran, aus dem die Stimmen drangen.
Ja, jetzt verstand er sie. Poul, Mutter, Ellen und Maria fielen sich gegenseitig ins Wort.
Dann hörte er Pouls Stimme heraus.
»Auf dir hat er doch mit
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