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Ein unversoehnliches Herz

Titel: Ein unversoehnliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Bravinger
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Worten und Taten herumgetrampelt. Wer würde so etwas tolerieren, ohne die Geduld zu verlieren? Du sollst wissen, dass er sich mir gegenüber genauso verhalten hat, er ist auf mir herumgetrampelt, als wäre ich ein seelenloses Stück Vieh. Aber der Punkt ist doch, dass er sich an sein unmögliches Benehmen später nie erinnert. Am nächsten Tag ist es wie weggewischt, und er kann nicht begreifen, dass man es ihm übel genommen hat!«
    Andreas war erschüttert. Ihr Vater war schwer krank, und sie schwangen solche Reden. Jetzt drang auch Ellens Stimme aus dem Zimmer. Sie versuchte etwas einzuflechten, wurde aber augenblicklich von Marias Flüstern übertönt.
    »Poul hat Recht. Ich bin ihr noch nicht einmal begegnet. Hat Vater dieser Ehe wirklich seinen Segen gegeben?«
    »So wie er Amelie verletzt hat«, fuhr Poul mit der gleichen sachlichen und weiterhin flüsternden Stimme fort, »wird er auch die Neue verletzen, so viel ist sicher. Ich schlage vor, dass Mutter sie nicht ins Haus lässt. Nicht aus bösem Willen, sondern um sie zu schützen .«
    »Ich kann mir nie merken, wie sie heißt«, meinte Sophie mit normaler Stimme. Offenbar verstand sie sich nicht so raffinert darauf zu flüstern wie die anderen.
    »Madeleine Bennet«, seufzte Poul. »Sie ist sicher kein schlechter Mensch. Allerdings ist sie schon einmal verheiratet gewesen, eine unglückliche Ehe, heißt es, zwei Kinder, die sie verlassen hat, wie Andreas Sören Christer verlassen hat. Eine Jugendfreundin von Amelie, sodass ich ihr einmal begegnet bin, was allerdings schon lange her ist. Aber das mit Amelie … wir wissen doch alle, wie schlimm es zu Ende ging, wir müssen das Mädchen beschützen, seine Neue. Sonst wird das Ganze nur zu Verbitterung und Missverständnissen führen. Jemand sollte mit ihr reden. Wir haben ihr gegenüber eine Verantwortung.«
    Die anderen stimmten ihm murmelnd zu.
    »Poul«, sagte seine Mutter mit der gleichen unverstellten Stimme, »vor ein oder zwei Wochen habe ich mit Gunhild gesprochen. Sie hat mir gesagt, sie glaube, dass Andreas zu Prostituierten geht. Sie hatte ihn irgendwie gesehen. Ist das wahr?«
    »Aber Mutter!«, riefen Ellen und Maria wie aus einem Mund, ehe sie die Stimmen senkten und weiterflüsterten:
    »Das kann doch unmöglich stimmen!«
    »Also, ich weiß auch nicht, Gunhild hat das gesagt.«
    Poul versuchte die Gemüter zu beruhigen und sprach dabei so leise, dass Andreas ihn nicht mehr verstand. Mittlerweile war ihm jedoch so schlecht, dass er sich an der Wand abstützen musste. Der Brief an Madeleine glitt ihm aus der Hand, und er sah ihn zu Boden segeln. Als er sich bückte, um ihn wieder aufzuheben, merkte er, dass seine Hände zitterten.
    Er entfernte sich ein paar Schritte von der Tür. Sein Körper war wie betäubt.
    Zunächst blieb er mit dem Brief in der Hand stehen, dann ging er ziellos im Salon umher und schüttelte den Kopf, als wollte er sich von den Stimmen befreien. Schließlich wandte er sich um, öffnete die Tür zum Schlafzimmer seines Vaters und schob sich in die Dunkelheit hinein.
    Er setzte sich auf einen Stuhl, machte kein Licht. Es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, aber dann konnte er die Möbel im Raum erkennen. Er schob den Vorhang ein wenig zur Seite und sah Schneeflocken auf dem Fensterbrett landen.
    Sie waren so zart und schön, schmolzen so sachte und still, zerflossen, existierten nicht mehr, wurden zu nichts. Er sah, wie sich die Brust seines Vaters in der Dunkelheit hob, hörte das Schnarchen, das mal lauter, mal leiser wurde, empfand jedoch nichts, absolut nichts.

Lieber Bruder …
    Dein Haus verfällt in die für es so typische versonnene Stille. Man kann sagen, was man will, ich muss zugeben, dass du dir mit Hilfe Vårstavis ein Dasein aus Ruhe und Kontemplation aufgebaut hast.
    Doch dann knarrt eine Bodendiele, plötzlich ruckt es im Fensterrahmen, das ist der Wind, der eindringen will. Oder ein Eiszapfen fällt zur Erde und zersplittert, Bäume reiben sich im Sturm aneinander, gespenstische Geräusche, die sich aufdrängen, ungebetene Gäste.
    Daraufhin tauchen die Gedanken auf, die sich nicht verdrängen lassen. Die vielen Male, die du über meine Triebe gesprochen hast, dass sie Strukturen zerrütten würden. Du hast Recht, genau wie damit, dass deine Triebe Strukturen aufbauen, Zusammenhänge schaffen und es ermöglichen, sich einen Überblick zu verschaffen. Dennoch wünschte ich, du könntest erkennen, dass sie auch einen

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