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Ein Vampir ist nicht genug - Roman

Titel: Ein Vampir ist nicht genug - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rardin Charlotte Lungstrass
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kleines Pony verstecken, ging mir meine Jacke nur bis knapp über die Hüften und saß - da sie extra so geschneidert worden war, dass sie mein Schulterholster verdeckte, perfekt. Die schwarze Hose schlabberte ein wenig, was wahrscheinlich daran lag, dass ich schon den ganzen Monat das Mittagessen
verpasst hatte. Und da der Wetterbericht vor einer Kaltfront gewarnt hatte, die Florida zur selben Zeit erreichen sollte wie wir, hatte ich meine neuen Stiefel an gezogen. Die würden hoffentlich länger halten als das letzte Paar, das sich quasi aufgelöst hatte, sobald ich damit das erste Mal in eine Blutlache getreten war.
    Ich zog meinen Koffer durch eine weiße Fenstertür, die sich zu einem abgesenkten Wohnzimmer hin öffnete, das mit geblümten Sofas und Sesseln, Glastischen und einem vomex-pinkfarbenen Teppich eingerichtet war. Am ande ren Ende des Raums, direkt neben den bodenlangen Samtvorhängen, die Elvis wohl geliebt hätte, stand ein größerer Glastisch umgeben von Stühlen. Mir fiel das vor allem deshalb auf, weil die Stühle Rollen hatten, was mich an meine Kindheit erinnerte.
    Mein Bruder, meine Schwester und ich besuchten während der Sommerferien unsere Großmama May auf ihrer Farm. Ihre Küchenstühle hatten Rollen, und so verbrach ten wir immer einen Teil des Tages damit, uns gegenseitig durch den Raum zu schieben und Drehwettbewerbe zu veranstalten, um zu sehen, wer als Erster vom Stuhl kippte. Das waren gute Zeiten gewesen. Ich spürte einen Anflug von Sehnsucht nach diesen wenigen goldenen Momenten, als meine Geschwister und ich Freunde, Teamkameraden und Verschwörer gewesen waren. Warum hatte es nicht ewig so bleiben können?
    »Vergiss es«, flüsterte ich. »Das ist jetzt vorbei. Mach weiter. Mach weiter. Mach weiter.« Ich erwischte mich bei dieser Litanei, presste die Lippen aufeinander und hielt so die Worte zurück, bevor sie mich verraten konnten.
    Ohne den Koffer, unseren Laptop, seine Reisetasche und seinen Stab abzustellen, schlenderte Vayl in den Raum und sah sich um. Sein Blick blieb kurz an einer
Kristallvase mit weißen Orchideen hängen und wanderte dann weiter zu dem eisgefüllten Sektkühler mit der Flasche Champagner.
    »Nett«, stellte er anerkennend fest.
    »Ja, es ist, äh …« Ich versuchte verzweifelt, ein wenig Enthusiasmus in meine Stimme zu legen, wie es von mir erwartet wurde, »… fantastisch!« Ich zog meinen Koffer am Rand des grubenartigen Wohnzimmers entlang. Ich mochte diesen Koffer, weil er so aussah, wie ich mich die meiste Zeit fühlte, angeschlagen und alt. Im Moment wirkte er schrecklich fehl am Platze, und wenn die Möbel hätten sprechen können, hätten sie mein Unterklasse-Gepäck bestimmt so lange beleidigt, bis es beschämt aus dem Gebäude geflüchtet wäre. Mein Rucksack hätte wohl ebenfalls keine Pluspunkte bekommen. Auch wenn er klassisches Schwarz trug, hatte er schon bessere Tage gesehen. Aber er erfüllte seinen Zweck und verwahrte in gut gepolsterten Taschen meine Waffen zusammen mit meiner Munition und den Reinigungsutensilien. Anstatt also ins nächste Motel 6 zu rennen, ging ich weiter und brachte meine wichtigsten Besitztümer zu einer weiteren Fenstertür zu meiner Linken, die zweifelsohne zu einem krass luxuriösen Schlafzimmer führte.
    »Komm schon, Jasmine«, rügte mich Vayl. Er hatte bereits den Raum durchquert und stellte den Laptop auf dem Tisch ab, bevor er die Vorhänge begutachtete. Fast erwartete ich, dass er sie wie einen zahmen Panther streicheln würde. Doch stattdessen zog er sie zurück und schaute aus dem Fenster. Zufrieden warf er einen Blick über die Schulter auf mich. »Ich bringe dich in das exklusivste Hotel von ganz Florida und kriege nichts weiter als deine Tony-der-Tiger-Miene?«
    Am liebsten hätte ich meinen Kopf so lange gegen die
Wand geschlagen, bis ich ohnmächtig geworden wäre. Aber nein, der Gong war ertönt und zwang mich zurück in den Ring, zur vierzehnten Runde des Endlosen Kampfes. Oh nein, es wurden keine Schläge ausgetauscht, zur Hölle damit. Unser Kampf bestand aus einer anhaltenden Unterhaltung der Art, dass Vayl herauszufinden versuchte, wie ich es bis ins Erwachsenenleben geschafft hatte, ohne auch nur das kleinste bisschen Kultiviertheit zu erlangen, während ich immer wieder erstaunt darüber war, dass ein Mann, der alt genug war, um sich an Zeiten zu erinnern, als Toiletten noch kleine, fensterlose Schuppen über tiefen, stinkenden Löchern waren, sich dazu verleiten lassen konnte zu

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