Ein Vampir zum Valentinstag (German Edition)
Nimm ein Bad, und hinterher kannst du dich ja ein bisschen mit Stephanie unterhalten.«
»Mich mit ihr unterhalten?«, fragte sie entsetzt und vergaß darüber die Sorge um ihn. »Über was denn?«
»Über das, was sie erlebt hat«, entgegnete er ruhig. »Mal abgesehen von ihrer Schwester bist wahrscheinlich du diejenige, die ihr am besten helfen kann.«
»Ich?«, quäkte sie ungläubig. »Wir kommst du auf die Idee, dass ich – «
»Weil du deine Familie doch auch verloren hast, als du noch sehr jung warst, oder? Du müsstest am ehesten nachvollziehen können, was sie durchlitten hat.«
Mirabeau spürte, wie sich ihr Innerstes verschloss. Es war, als schnüre sie etwas ein. Sie gestattete sich niemals, an das Massaker, das an ihrer Familie verübt worden war, zu denken. Wahrscheinlich hatte ihm Marguerite aus irgendeinem Grund davon erzählt, was ihr überhaupt nicht recht war. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte, und entgegnete beinahe schon feindselig: »Ihre Familie lebt noch.«
»Aber sie darf sie nie mehr wiedersehen, niemals wieder ihre Liebe und Fürsorge spüren«, gab er zu bedenken.
»Sie hat Dani«, beharrte Mirabeau verbissen.
»Zurzeit nicht. Sprich mit ihr. Sie ist ganz allein und genauso einsam wie du.«
Diesmal ließ sie ihn ziehen und verfolgte wortlos, wie er die Tür hinter sich zuzog. In ihrem Inneren wütete ein Wirbelsturm aus Gefühlen. Allein und einsam? Wo hatte er das denn her? Zwischen ihr und Stephanie bestand ein frappierender Unterschied. Zwar konnte das Mädchen seit der Wandlung keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie aufnehmen, doch zumindest wusste sie, dass ihre Angehörigen noch lebten. So konnte sie sich hin und wieder nach ihrem Wohlergehen erkundigen. Doch Mirabeaus Familie – Mutter, Vater und drei Brüder – war tot, ebenso wie ihr einst so geliebter Onkel, der sie alle auf dem Gewissen hatte. Ihr war niemand geblieben, dachte sie und machte sich auf den Weg in Tinys Badezimmer.
Sie hatte die Badezimmertür noch nicht erreicht, als ihr auffiel, dass das nicht ganz stimmte. Sie hatte immerhin die Argeneaus. Als ihre Familie ermordet wurde, war Mirabeau gerade siebzehn Jahre alt gewesen. Lucian hatte damals entschieden, dass sie bei seiner Schwägerin Marguerite bleiben sollte. Diese großartige Frau hatte sie unter ihre Fittiche genommen. Sie musste wohl instinktiv gespürt haben, dass es für Mirabeau zu schmerzhaft gewesen wäre, wenn sie sie wie eine Tochter behandelt und dadurch immer wieder die Erinnerungen an ihren großen Verlust aufgewühlt hätte. Darum war ihr Marguerite mit einer Mischung aus Liebe und Freundschaft begegnet. Ihr Verhältnis entsprach in etwa dem einer Tante zu ihrer Nichte. Sie hatte Mirabeau in ihr Heim aufgenommen und in der Familie willkommen geheißen, und schließlich hatten auch die übrigen Mitglieder des Clans sie wie eine gute Freundin der Familie behandelt und ihr all die Liebe und Unterstützung zukommen lassen, die sie sich nur wünschen konnte. Das war zwar lieb gemeint gewesen, doch die Argeneaus konnten niemals die Familie ersetzen, die sie verloren hatte – und ihre Bemühungen waren Mirabeau unangenehm. Bei besonderen Anlässen wie Weihnachtsfeiern oder Hochzeiten wurde sie stets miteinbezogen, doch Mirabeau wurde dadurch nur an die Abwesenheit ihrer eigenen Angehörigen erinnert. Wahrscheinlich würde es Stephanie in Zukunft genauso ergehen.
Seufzend drehte sie die Dusche auf, zog schnell die besudelten Kleider aus und trat unter den heißen Wasserstrahl. Nachdem der gröbste Schmutz weggewaschen war, griff sie nach der Hotelseife und überlegte dabei angestrengt, was sie zu Stephanie sagen könnte, um ihr zu helfen. Leider gab es eigentlich keine Worte, die dem Mädchen die Situation erleichtern konnten. Mirabeau könnte ihr nur zu verstehen geben, dass sie versuchen solle nachzuvollziehen, was sie durchmachte. Und sie könnte sie möglicherweise unter ihre Fittiche nehmen, ebenso wie Marguerite Argeneau es damals für sie getan hatte.
Allerdings war sich Mirabeau nicht sicher, ob sie dazu überhaupt in der Lage wäre. Sie war im Umgang mit anderen nicht sehr geübt, denn seit dem Tod ihrer Familie hatte sie außer Eshe und den anderen Argeneaus eigentlich niemanden an sich herangelassen. Dass sie sich der Familie gegenüber überhaupt ein wenig geöffnet hatte, war allein Marguerites Verdienst. Dieser Frau konnte man sich einfach nicht entziehen. Wenn sie einen zum Teil der Familie erklärte, dann war das auch
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