Ein verwegener Gentleman
sie.
„Ich meine, ich würde es gern sofort tun. Ich habe eine Lizenz.“
Elizabeth starrte ihn an. Es schien ihm ernst zu sein. „Was … was meinst du damit? W…weshalb?“, stotterte sie.
„Ich möchte mich jetzt gleich mit dir vermählen … weil morgen … wer weiß, was morgen ist? Ich möchte, dass du heute noch meine Frau wirst.“ Zu spät erkannte Ross, weshalb sie so entsetzt war. Sie hatte das schon einmal erlebt. Wahrscheinlich hatte Havering ganz ähnliche Worte benutzt, um sie zu überreden, mit ihm durchzubrennen … und wozu hatte diese unziemliche Hast geführt?
Aber er konnte ihr doch nicht sagen, dass er sie unverzüglich unter den Schutz seines Namens und seines Rufs stellen wollte, falls dieses Duell im Morgengrauen schlecht ausging, damit sie nie wieder den Nachstellungen irgendeines lüsternen Bastards ausgesetzt war. Insgeheim schwor er sich, dass er Luke das Versprechen abnehmen würde, immer auf sie Acht zu geben, falls sich die Notwendigkeit dazu ergeben sollte. Und über all dem praktischen Nutzen stand das Bedürfnis, sie zu besitzen, der urmenschliche Drang, sich fortzupflanzen. Er wollte die Möglichkeit haben, ihr ein legitimes Kind zu schenken, weil er, ohne sich dessen bewusst zu sein, verstanden hatte, dass ihr nichts mehr fehlte als ein eigenes Kind.
Elizabeth war schockiert. Ihre gute Meinung von ihm war dahin. Er entglitt ihr … und das Tragische daran war, dass sie sich danach sehnte, ihn festzuhalten. „Du schlägst doch keine Zeremonie vor, die von irgendeinem Scharlatan durchgeführt wird, nur um an das Geld und die Hochzeitsnacht zu kommen?“, fragte sie verletzt. Sie sah ihn mit ihren großen veilchenblauen Augen anklagend an. „Weshalb bittest du mich nicht einfach, mit dir zu schlafen … wie alle anderen Männer auch?“ Abrupt erhob sie sich und ging zur Tür. „Es ist schon spät, Mylord. Ich möchte mich zurückziehen.“
„Ich möchte dich lieben, Elizabeth …“
„Gute Nacht!“
„Ich liebe dich, Elizabeth …“, sagte er leise.
Die Hand schon am Türknauf, zögerte sie, drehte sich um und starrte ihn an.
Ross senkte den Kopf und fluchte verhalten. Dann lachte er verzweifelt auf. „Es ist die Wahrheit … aber geh ruhig zu Bett. Es tut mir leid, dass ich es so vermasselt habe, aber es war mir wichtig, dir das zu sagen, Elizabeth.“
Sie blieb wie angewurzelt stehen, bis er sie erreicht hatte. Er strich über ihre alabasterfarbene Wange. „Glaub niemandem, der dir erzählt, ich wäre ein erfahrener Schürzenjäger. Bei dir bin ich zuweilen ein ganz grüner Junge.“ Er senkte den Kopf, und sie wandte sofort ihr Gesicht ab, sodass seine Lippen ihr helles Haar streiften.
„Bitte … einen Kuss … einen für dich“, bat er.
Sie sah ihn mit fest zusammengepressten Lippen an. Und dann berührten seine Lippen mit sanfter Glut ihren verkniffenen Mund. Sie wurde weich. Ihre Hände schoben sich langsam seine Brust hinauf und trafen sich in seinem Nacken. Sie presste sich an ihn. Mit einem unterdrückten Aufstöhnen hob er sie hoch, und sie öffnete, ohne zu überlegen, die Schenkel und schlang ihre Beine um ihn.
Er löste sich von ihren Lippen und strich tröstend mit dem Daumen darüber. „Geh zu Bett … es wird morgen früh alles in Ordnung kommen“, sagte er heiser und stellte sie sanft auf die Füße. Einen Moment später war er gegangen.
Ross war ein Abenteurer, der stets genau durchdachte, welche Überlebenschancen er hatte. Niemand verstand sich besser darauf als er, das wusste Luke. Und jetzt, an diesem nebligen Septembermorgen, hatte sein jüngerer Bruder wieder diesen überaus wachen Ausdruck im Gesicht.
Lukes Blick schweifte über die Runde schweigender Männer: Guy, der Arzt, Dickie und David, die an der Hecke standen, Lord Grey und Lord Beecher und einige andere … Cadmores Leute.
Dann heftete Luke seine schwarzen Augen auf die beiden Duellanten, die sich voneinander entfernten und umdrehten, als sie die Markierung erreicht hatten. Er beobachtete, wie Linus Savage sofort seinen Arm hochriss und feuerte.
Ross schwankte, hielt sich aber irgendwie auf den Beinen. Der Arzt rannte los. Cadmores Sekundanten blickten sich an und schüttelten angewidert den Kopf. Cadmore hatte vor dem Aufruf geschossen. Luke geriet in ohnmächtige Wut, als er einen Blutfleck auf dem Hemd seines Bruders entdeckte. Er hörte Guy fluchen.
Ross schickte den Doktor mit einem Kopfschütteln weg und konzentrierte sich auf Cadmore. Langsam wechselte er
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