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Ein verwegener Gentleman

Ein verwegener Gentleman

Titel: Ein verwegener Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MARY BRENDAN
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drohte zu zerspringen. Sie griff nach der Lehne des nächsten Stuhls und sank steif auf der Sitzfläche nieder. Sie registrierte, dass ihre Großmutter irgendetwas sagte, das mit den Einladungskarten zu tun hatte, die auf dem Sofatisch ausgebreitet lagen. Es waren mindestens acht.
    „Ich glaube, wir sollten zuerst zu Lady Regan gehen, dann zu den Braithwaites. Falls du nicht einen von den anderen vorziehst.“
    „Ist er tot?“, flüsterte sie.
    „Ross? Tot? Natürlich nicht!“, schnaubte Edwina. „Wenn dieser Hasenfuß nicht vorzeitig einen Schuss abgefeuert hätte, dann wäre er noch nicht einmal verwundet, aber …“
    Elizabeth sprang auf. Sie war aschfahl im Gesicht, in ihren Augen glänzten Tränen, die durch den Schock zurückgehalten wurden. „Schwer verletzt? Wird er von Ärzten behandelt?“
    „Es ist eine Fleischwunde, habe ich gehört. Wie Pettifer es vorgemacht hat, kann man einen Arm so halten, dass er als Schutzschild dient. Ross beherrscht diese Stellung offensichtlich schon seit Langem.“
    „Was ist mit Cadmore? Ist er tot?“, hauchte Elizabeth.
    „Er hätte es verdient. Nach allem, was man hört, hat Ross ihm den Hut vom Kopf geschossen.“
    „Gott sei Dank hat er ihn verfehlt …“
    „Er hat ihn nicht verfehlt , Miss!“, spottete Edwina. „Ross hat ihn verschont. Er hat ihm einen Streifschuss auf der Schädeldecke verpasst, wie es heißt. Cadmore ist nun als die Memme gebrandmarkt, die er ist. Unwahrscheinlich, dass er sich in der Öffentlichkeit noch einmal blicken lassen wird. Ross kann selbst mit der linken Hand gut schießen“, setzte Edwina stolz hinzu und nickte nachdrücklich mit dem Kopf.
    „Wo ist er? Ich muss ihn sehen …“, fragte Elizabeth mit bleichen Lippen.
    „Ich glaube, bei seinem Bruder. Soviel ich gehört habe, hat der Arzt die Kugel herausoperiert.“
    Elizabeth wurde übel, sie hielt sich eine Hand vor den Mund, drehte sich um und floh.
    „Mach sofort diese Tür auf, Lizzie. Willst du ewig da drin bleiben?“
    „Ich bleibe heute Abend zu Hause, Großmama. Ich bin müde.“
    „Müde? Du hast in den letzten paar Tagen rund um die Uhr geschlafen. Wie kannst du da immer noch müde sein“, schnauzte Edwina. „Schau mal … ist es nicht eine höchst vornehme Einladung?“, schmeichelte sie. „Von Lady Conyngham.“ Sie schob die dünne Karte unter der Tür hindurch.
    Elizabeth hob sie auf und las, dass eine italienische Diva an einer bekannten Adresse in Mayfair singen sollte. Lustlos warf sie das Billet auf den Stapel der anderen Karten, mit denen Edwina versucht hatte, sie herauszulocken.
    „Ist der Viscount schon zurück?“, fragte Elizabeth heiser.
    „Ich glaube nicht; nach einem solchen Skandal bleiben die Männer der Stadt meistens eine Weile fern.“
    „Hat er Fieber, Großmama? Weißt du, ob sich die Wunde entzündet hat?
    Edwina seufzte schwer. „Nein, ich habe keine Ahnung! Aber er hat schon mit Soldaten, Schmugglern und Betrunkenen gekämpft und all das gut überstanden. Er ist so stark wie ein Ochse. Nun gut, dann werde ich eben mit Evangeline hingehen“, murmelte sie, und Elizabeth hörte, wie sich ihre Schritte entfernten.
    Sie seufzte und lehnte ihren Kopf an die Tür. Wieder hatte sie das quälende Bild vor ihrem inneren Auge, wie er von Schüttelfrost geplagt an Blutvergiftung litt. Vielleicht sah sie sein schönes Gesicht nie wieder, hörte nie mehr seine Stimme, spürte nie mehr die sanfte Berührung seiner starken, schlanken Finger. Vielleicht hatte sie nie mehr die Gelegenheit, sich für ihre Unhöflichkeit zu entschuldigen … und ihm zu sagen, dass sie ihn liebte …
    Edwina stapfte mürrisch die Treppe hinunter. In der Halle nahm Harry soeben den Mantel ihres zukünftigen Schwiegerenkels entgegen.
    „Wo sind Sie gewesen?“, schnauzte sie Ross gereizt an, um sofort erleichtert hinzuzufügen: „Es ist gut, dass Sie hier sind! Meine Enkelin benimmt sich sehr merkwürdig. Schon bevor sie von dem Duell erfuhr, war sie bleich und kränkelnd. Seit sie weiß, dass Sie verwundet wurden, hat sie kaum ihr Zimmer verlassen …“ Plötzlich stutzte sie, als ihr eine Erkenntnis kam, und sie glotzte den gut aussehenden Mann an, der mit stürmischem Blick die Treppe hochsah.
    Edwina überlegte, wie lange es her war, seit Lizzie von zu Hause verschwunden war. Sie war erst kurz vor Mitternacht wieder von diesem charmanten Romeo zurückgebracht worden. „Morgenübelkeit … verdammt!“, knurrte sie verhalten. „Weshalb ist mir das nicht

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