Ein Weihnachtsengel auf vier Pfoten
spürte, blieb das Schreckgespenst der Vergangenheit dennoch verschwunden.
Ein Auto fuhr vor, Augenblicke später klappten die Türen und er hörte, wie seine Tante lautstark den beleuchteten Weihnachtsmann samt Rentierschlitten bewunderte.
Leon wandte sich vom Fenster ab und eilte in den Flur, um Agnes und Richard zu öffnen. Mario kam die Treppe herabgerannt und fiel den beiden abwechselnd um den Hals.
Leon nahm ihnen die Jacken ab und führte sie ins Wohnzimmer. »Es tut mir leid«, sagte er, »aber ich muss noch mal weg.« Er warf Richard einen kurzen Blick zu, den dieser zustimmend erwiderte. »Ich denke, es wird nicht allzu lange dauern.«
Agnes legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ist schon gut, Leon, wir warten solange. Was meinst du, Mario, sollen wir ein paar Runden Mensch ärgere dich nicht spielen, bis dein Papa wieder hier ist?«
Mario schüttelte den Kopf. »Kann ich mitfahren? Vielleicht sehe ich ja das Christkind draußen irgendwo.«
»Aber Mario, hier ist es doch viel gemütlicher«, meinte Agnes.
»Bitte bitte!«, bettelte Mario und hängte sich an Leons Hand.
Leon zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen. Aber zieh dir eine warme Jacke, Schal und Handschuhe an!« Er nahm sich selbst eine dicke Winterjacke vom Garderobenhaken. »Es wird wirklich nicht lange dauern.«
Richard nickte. »Wir kommen hier schon zurecht, Junior.« Er zwinkerte seinem Neffen zu und drückte ihm einen Aktenordner in die Hand. »Hier, den solltest du zukünftig nicht mehr bei uns Zwischenlagern.«
Leon las das Wort »Mietvertrag« auf dem Rücken des Ordners. Er nickte, klemmte ihn sich unter den Arm und verließ mit Mario das Haus.
Niedergeschlagen faltete Hannah den letzen der Briefe zusammen und steckte ihn zurück in den Umschlag. Ihr war zum Weinen zumute.
Marios Mutter hatte Leon verlassen, als der Junge gerade ein halbes Jahr alt gewesen war, und offenbar hatte sie Leon davor schon nach Strich und Faden ausgenutzt und betrogen und seine Bemühungen, ihr und seinem Sohn ein gemütliches Heim zu schaffen, als lächerlich abgetan. Leons Briefe hatte sie sich nicht getraut zu öffnen, doch das war nun auch nicht mehr nötig. Sie begriff langsam, was in ihm vorgegangen sein musste und weshalb dieses Haus hier ihm so ein Dorn im Auge war. Und mittlerweile glaubte sie auch zu wissen, weshalb er so plötzlich mit ihr Schluss gemacht hatte. Wahrscheinlich hatte er irgendwo, vielleicht im Kindergarten, aufgeschnappt, dass Torsten zu Besuch kommen würde, und hatte das wohl gründlich missverstanden. Ein wenig war sie wohl selbst schuld daran, weil sie ihn nicht von Anfang an alles über Paulas Vater erzählt hatte. Andererseits ärgerte sie sich, dass Leon ihr nicht mehr vertraut oder zumindest nachgefragt hatte.
Sie rieb sich die Augen. Seine Reaktion war bestimmt so etwas wie eine Kurzschlusshandlung gewesen. Noch dazu hatte sie ja immer wieder Ausflüchte gehabt, wenn er sie hier hatte besuchen wollen. Sie wollte ihn nicht in Schutz nehmen, aber begreifen konnte sie jetzt so einiges.
Sie legte die Briefe zuoberst auf den Karton und wollte nach Paula rufen, als ihre Tochter im Flur erschien. »Mama, hast du mich vergessen?«
Hannah sprang auf. »Aber nein, mein Schatz. Entschuldige, dass es so lange gedauert hat. Aber jetzt können wir ...« Sie sah sich um. »Wo ist eigentlich Billa?« Erst jetzt erinnerte sie sich, die Hündin in den Garten gelassen zu haben. Rasch lief sie zur Hintertür und rief nach ihr, doch sie wusste schon im selben Moment, dass Billa mal wieder verschwunden war.
Leon war erst ein paar hundert Meter gefahren, als er in einiger Entfernung eine Bewegung auf der Straße sah. Er fuhr langsamer und erkannte Billa, die in rasantem Tempo auf seinen Jeep zugerannt kam. Sofort bremste er.
»Was ist denn, Papa?«
Mario reckte sich auf dem Rücksitz. »Da ist ja Billa!«, quietschte er und wollte schon aussteigen.
Doch Leon hielt ihn zurück. »Bleib sitzen! Sie ist vermutlich mal wieder ausgerissen. Ich werde versuchen, sie einzufangen.«
Er öffnete die Tür und stieg aus. Billa sprang mit einem lauten Heulen auf ihn zu, umtänzelte ihn wild und rannte dann wieder ein Stück in die Richtung, aus der sie gekommen war.
Leon rief mehrmals nach ihr, doch sie kam jedes Mal nur bis auf ein paar Meter zu ihm heran und gebärdete sich wie wild. Da er einsah, dass er sie so nicht einfangen konnte, stieg er wieder ein und fuhr ihr langsam hinterher.
»Warum holst du Billa nicht ins
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