Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
ihrerseits.
»HalloJustynawiegehtsdennheuteso?AllesklaristderSchneenichtherrlich?«, plappere ich ohne Punkt und Komma, während sie mich mit einer Miene mustert, die fast so eisig ist wie der überfrorene Bürgersteig draußen.
Sie nickt nur knapp, dann kehrt sie mir wieder den Rücken zu und wischt weiter den Boden, wobei ihr gewaltiges Hinterteil wütend hin- und herwackelt wie das eines aufgebrachten Brauereipferdes. Ich sehe zu, dass ich weiterkomme, und winke den Putzleuten in den oberen Stockwerken kurz zu.
Am Lager angekommen, drehe ich mich vor der Tür noch mal um und werfe einen letzten Blick auf den Laden, ehe ich mich in meiner Höhle einigele. Auf der Stelle ist es vorbei mit meiner guten Laune, denn ich weiß, dass die Putzkolonne sich noch so sehr bemühen kann, dieses alte Schmuckkästchen von einem Kaufhaus kann sie einfach nicht wieder zu seinem längst vergangenen Ruhm polieren. Nichts kann verbergen, dass die Farbe von den Wänden blättert, die Mahagonivertäfelung altersdunkel und der Teppichläufer mit dem kunstvoll verschnörkelten Muster ausgeblichen und durchgetreten ist. Hardy’s so zu sehen, einen Ort, den ich seit so vielen Jahren schätze und liebe, kommt mir fast vor, als sähe ich zu, wie ein bildschöner, alternder Filmstar langsam verwelkt und stirbt.
Schon als kleines Mädchen war Hardy’s für mich so etwas wie mein persönliches Narnia; wenn ich durch die Glastüren hereinkam, glaubte ich ganz ehrlich, ein Zauberland zu betreten, in dem alles möglich war. Ich freute mich immer irrsinnig auf unseren alljährlichen Familienausflug nach London zum Hochzeitstagmeiner Eltern, und das nicht nur wegen des eigentlichen Programms – ein Abstecher ins Theater oder Ballett, Abendessen in einem schicken Restaurant und eine nachmittägliche Teestunde in einem eleganten Hotel –, sondern vielmehr, weil wir auch Hardy’s jedes Mal einen Besuch abstatteten.
Jedes Jahr am 12. Dezember fuhr ich gemeinsam mit meinen Eltern nach London, wo wir dann in unserer Wohnung in Hampstead übernachteten, während meine Großeltern sich zuhause um Delilah und die Jungs kümmerten. Auch wenn meine Eltern längst aus London weggezogen waren, hatte mein Vater die Wohnung in der Stadt behalten, weil er oft geschäftlich hier zu tun hatte. Monatelang freute ich mich auf diese Reise: ein wenig kostbare Zeit allein mit meinen Eltern, weg von meinen allzu beherrschenden Geschwistern, die allesamt zu alt und damit zu cool waren, um mitzukommen.
Dort angekommen putzten wir uns dann immer fein heraus. Ich in einem süßen Sonntagskleidchen mit Schleife um die Taille und einem Satinband in den Haaren, einem fröhlich weihnachtlichen Wintermantel, weißer Strumpfhose und Spangenschuhen aus Lackleder. Mum trug ein glamouröses Kleid mit elegantem Mantel, dazu ein Hauch Parfum und Lippenstift, und mein Dad sah aus wie ein Dandy mit seinem schicken Anzug, dem Kaschmirschal und dem Mantel dazu.
Wir fuhren immer mit dem Zug von Norwich zur Liverpool Street und nahmen dann eins der teureren schwarzen Taxen zur Regent Street. Staunend spähte ich zum Fenster hinaus, während die berühmten Londoner Wahrzeichen an uns vorbeirauschten, und träumte von dem Tag, an dem ich endlich hier wohnen würde. Und am Ende standen wir dann alle Arm in Arm vor der mit Tannengirlanden und Lichterketten geschmückten Tür von Hardy’s, bestaunten die mit Weihnachtswunderwaren ausstaffierten, blitzenden und funkelnden Schaufenster und sahenzu, wie die Kunden sich den Weg in das hell erleuchtete Kaufhaus bahnten wie Entdecker, die nach einer langen Reise zurückkehren an den einen Ort, der für sie immer ihr Zuhause ist. Mum und Dad küssten sich lange und innig vor dem Laden, während ich zu ihnen aufschaute, und ich hätte schier platzen können vor Glück, dass diese beiden Menschen, die sich so sehr liebten, meine Eltern waren. Dann spazierten wir hinein, und sofort war ich inmitten des Klingelns der altmodischen Registrierkasse und der strahlenden Verkäufer in ihren Weihnachtsmannmützen.
Anders als die anderen, etwas versnobteren Kaufhäuser, störte sich bei Hardy’s niemand an einem kleinen Mädchen, das neugierig auf eigene Faust die kunterbunten Abteilungen erkundete, während seine Eltern bei Champagner und kleinen Leckereien im Teesalon saßen und gemeinsam in Erinnerungen schwelgten. Ich fühlte mich hier genauso zuhause wie in unserem Haus in Norfolk. Bloß brauchte ich hier nicht ständig um Aufmerksamkeit zu
Weitere Kostenlose Bücher