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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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behalten...« Renshaw kniff die
zornweißen Lippen zusammen. Dann wandte er sich wieder Holman zu und berührte
sie kurz am Arm. »Man wird Sie jetzt ins General Hospital bringen. Sie haben
ein paar böse Schrammen und die eine oder andere gebrochene Rippe. Aber nichts
Irreparables.«
    Holman nickte, die Augen noch immer
geschlossen. Renshaw stand auf und marschierte zu dem Brunnen hinüber, ohne
sich um die Pfützen zu kümmern. Wasser und Dreck spritzten auf seine
Hosenbeine. Ich folgte ihm. Er stand mit verschränkten Armen da und starrte
finster auf die Zementbrocken. »Himmelherrgott, so ein Fiasko«, sagte er, mehr
zu sich selbst als zu mir. »Sie können sich natürlich beide einen neuen Job
suchen.«
    »Sie schmeißen sie raus? Bei Wilson
verstehe ich es ja, aber Holman hat ihr Leben riskiert, um die Kleine zu
retten.«
    »Das ist wieder die Sache mit der
Fehlertoleranz. Der Kerl mit dem Paket hätte gar nicht erst bis zur Tür kommen
dürfen. Solche Schlampereien können wir bei unseren Leuten nicht dulden.«
    Ich schwieg und fragte mich im stillen,
wie lange ich es wohl bei RKI gemacht hätte. Nicht sehr lange, befand ich. Ein
Glück, daß ich ihr Jobangebot im Vorjahr nicht angenommen hatte.
    Jetzt hörte ich Adahs heisere Stimme
vom Eingangsportal her. Ich guckte hinüber und sah sie heraustreten. Ihr folgte
ein großgewachsener Mann — vom konservativen Haarschnitt bis zu den
Oxfordschuhen eindeutig ein FBI-Agent. Ich ging auf die beiden zu, aber Adah
sah mich und schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie gingen den Fußweg entlang
und stiegen in den blauen Buick.
    »Joslyn?« fragte Renshaw leise.
    Ich nickte.
    »Sie wird sich fragen, wie Sie
hierherkommen.«
    »Ich werde es ihr später erklären.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    Er ignorierte meine Frage. »Wir sollten
jetzt mit Mrs. Hamid reden.« Er faßte mich am Arm und bugsierte mich in
Richtung Tür. Der dort postierte Polizeibeamte inspizierte seinen Ausweis und
erklärte uns dann, Mrs. Hamid befinde sich in der Bibliothek.
    »Bibliothek« war eine irreführende
Bezeichnung. Zwar befanden sich an allen vier Wänden raumhohe Regale, doch
diese enthielten nur einige wenige Bücher, dafür aber jede Menge
Kunstgegenstände — genug Porzellan, Jade, Elfenbein und Kristall, um eine
ansehnliche Galerie zu bestücken. Das glänzende Hartholzparkett war teilweise
mit einem tiefblauen Perserteppich bedeckt, und auf einem Ledersofa vor einem
Fenster mit bleiverfugten Glasscheibchen saß eine untersetzte Frau in einem
schlichten schwarzen Kostüm. Sie nickte uns zu und winkte uns herein.
    Nichts in Malika Hamids Verhalten ließ
erkennen, daß ihre Enkelin soeben beinahe einem Bombenanschlag zum Opfer
gefallen wäre. Sie stand auf, als Renshaw uns miteinander bekannt machte,
drückte mir mit ruhigem, festem Griff die Hand und sah mir mit ebenso ruhigem
und festem Blick in die Augen. Als sie uns aufforderte, Platz zu nehmen,
überraschte mich ihr kultiviert-britischer Akzent. Sie lächelte leise ob meiner
verblüfften Miene und sagte: »Ich habe wie die meisten Mitglieder meiner
Familie eine englische Schulbildung genossen.«
    Während wir uns in zwei rechtwinklig
zum Sofa postierten Sesseln niederließen, nutzte ich die Gelegenheit, die
Generalkonsulin eingehender zu mustern. Sie war groß, mit dickem, grauem Haar,
das sie in einem schlichten Knoten trug; die strenge Frisur betonte die
quadratische Form ihres Gesichts. Ihre Augen waren so dunkel, daß man kaum
sagen konnte, wo die Pupille aufhörte und die Iris begann, und noch schwerer
war es, ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Sie trug kein Make-up, keinen
Nagellack auf den kurzgeschnittenen Fingernägeln. Malika Hamid gab nichts auf
künstliche Äußerlichkeiten, und ich spürte unter ihrer Höflichkeit einen
starken Willen und eine enorme Zielstrebigkeit.
    Sie bestätigte meinen Eindruck prompt,
indem sie zu Renshaw sagte: »Ich nehme an, Sie wollen mir jetzt mit
irgendwelchen Entschuldigungen für das Versagen des Sicherheitsdienstes kommen.
Das wäre deplaziert — und sinnlos.«
    »Keine Entschuldigungen, keine
Erklärungen«, antwortete er locker. »Meine Leute haben Fehler gemacht. Ich
werde sie selbstverständlich entlassen. Ich habe Ersatzkräfte geordert, ehe ich
hergekommen bin, und sie werden ihren Dienst in Kürze aufnehmen.«
    »Welche Garantie habe ich, daß diese
Ersatzkräfte effizientere Arbeit leisten als ihre Vorgänger?«
    »Ich verbürge mich

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