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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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welche
von unseren Leuten.«
    Ich nickte wieder.
    »Da haben Sie den Grund. Das kann sich
RKI nicht leisten. Sie können wir uns leisten. Sind Sie dabei?«
    Grundsätzlich war ich dabei, aber ich
wollte es noch einmal durchdenken, ehe ich einen Vertrag unterschrieb. »Und die
Belohnung, die das FBI ausgesetzt hat?« fragte ich.
    Er sah mich unwirsch an.
    »Was ist damit?«
    »Die Belohnung teilen wir fifty-fifty.«
    »Fünfundsiebzig für mich,
fünfundzwanzig für Sie.«
    »Sechzig-vierzig.«
    »Sechzig für mich?«
    »Herrgott noch mal, ja!«
    »Okay, ich werde es mir überlegen. Ich
sage Ihnen bis morgen mittag Bescheid.«
    »Überlegen?«
    »Bis morgen mittag, Gage.«
    »Sharon, Sie sind die sturste,
nervtötendste...«
    »Sparen Sie es sich. Das habe ich alles
schon gehört.«
    Er sah mich interessiert an. »Von
Ripinsky?«
    »Fehlanzeige.«
    »Wieso?«
    Wieso? Nun ja, das hatte mit der Art
unserer Beziehung zu tun. Ich hätte versuchen können, Renshaw das
auseinanderzusetzen, aber ich machte mir gar nicht erst die Mühe. Das ging
einfach über seinen Horizont.
     
     
     
     

3
    Ich hatte eigentlich für vier Uhr einen
Termin mit einem Architekten an einem der neusanierten Piers in der Nähe des
Embarcadero gehabt, um einen Abschlußbericht zu liefern, aber als Renshaw mich
bei meinem Wagen absetzte, war es schon fast halb fünf. Ich rief den Klienten
über mein Autotelefon an, und er meinte, ich solle trotzdem noch kommen, also
ließ ich den MG stehen und ging zu Fuß hin. Wir sprachen meinen Bericht kurz
durch, und ich kassierte einen Scheck und spazierte den Küstenboulevard entlang
zurück. Bei dem Aussichtsrestaurant beschloß ich, einen kleinen Abstecher
hinaus auf den kommunalen Pier zu machen.
    Es war einer dieser strahlend klaren
Tage gewesen, die die Menschen in San Francisco schon beinahe zu dem Glauben
verleiten, daß es diesmal doch keinen neblig-trüben Sommer geben würde. Jetzt,
um fünf Uhr nachmittags, waren die Straßen von Autos und Bussen verstopft, und
auf den Bürgersteigen wimmelte es von Fußgängern, die von der Arbeit nach Hause
schlenderten. Feierabend-Jogger trabten auf dem Pier an mir vorbei, und weniger
aktive Typen saßen auf den Bänken vor dem Eisengeländer, das mit altmodischen
Straßenlaternen bestückt war. Das Glockenspiel im Turm des nahe gelegenen
Fährhafengebäudes spielte Oh, What a Beautiful Morning, und dann die
Melodie eines Liedes, in dem es, wenn ich mich recht erinnerte, um die
Abendbrise ging. Diese San Francisco-typische Version des Abendläutens machte
mich lächeln.
    Am Ende des Piers blieb ich stehen und
beugte mich über das Geländer. Ich sah einer Fähre nach, die nach Marin County
hinüberfuhr, und hörte das Kielwasser gegen die Pfeiler schwappen. Ich dachte
an Gage Renshaws Vorschlag, an die Azadis, an Adah Joslyn.
    Ich war mir nicht sicher, ob mein
Gewissen es zuließ, Adah die Sache mit den Drohbriefen an das Konsulat
vorzuenthalten. Wenn irgend möglich, versuchte ich, mit der Polizei
zusammenzuarbeiten, und außerdem war Adah eine Freundin von mir. Indem ich
Informationen zurückhielt, riskierte ich, die einzige Institution, die diesen
Bombenanschlägen ein Ende machen konnte, in ihrer Arbeit zu behindern. Aber
Renshaws Angebot auszuschlagen hieße, darauf zu verzichten, die bisher
vielversprechendste Spur in dieser Sache weiterzuverfolgen. Und selbst wenn ich
Adah erzählte, was ich wußte, konnte ich sicher sein, daß Malika Hamid alles
abstreiten und jede Kooperation mit der Sonderkommission verweigern würde.
    Ich beleuchtete die Situation von allen
Seiten. Spielte diverse Strategien durch, verwarf die meisten, erwog noch ein
paar weitere. Ich dachte an meine Angst, zu sehr wie Renshaw und Konsorten zu
werden. Realisierte, daß mich ein Kontrakt, wie er ihn vorschlug, der
Grenzlinie zwischen uns einen weiteren Schritt näher bringen würde. Doch
während ich mich noch mit diesem Gedanken herumschlug, drängte sich mir ein
unabweisbares Bild auf.
    Zwei große glänzenddunkle Augen, die
mich über den Rand einer riesigen Marmorvase hinweg anstarrten. Große
glänzenddunkle Augen, die ohne das reaktionsschnelle Handeln einer beherzten
jungen Frau jetzt wohl leer und stumpf aus einem Zinksarg im Leichenschauhaus
starren würden.
    Habiba Hamid neigte die Waage zu
Renshaws Seite hin. Ich drehte mich um und ging über den Pier zurück.
     
    Ich wollte erst noch meine Unterlagen
über die Bombenanschläge durchgehen und ein paar Dinge überprüfen,

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