Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
dann vibrieren sie, als seien sie bereit, dich in Stücke zu reißen. Aber das ist nur Schau. Die Spannung läßt nach, wenn man seinen Griff nicht lockert.«
»Was passiert, wenn sie ihre Spannung verlieren? Werden sie wie Luft?«
»Nein, sie werden einfach schlaff. Aber sie haben immer noch Substanz. Doch es läßt sich mit nichts vergleichen, was du je berührt hast.«
Später, im Lauf des Abends, sagte ich ihm, das, was ich gesehen hatte, konnte vielleicht ein Nachtfalter gewesen sein. Er lachte und erklärte mir sehr geduldig, daß Falter nur um Glühbirnen herumfliegen, weil Glühbirnen ihnen nicht die Flügel verbrennen. Ein Feuer dagegen würde sie verbrennen, sobald sie ihm nahekommen. Er wies auch darauf hin, daß der Schatten das ganze Feuer verdeckte. Als er das erwähnte, erinnerte ich mich daran, daß der Schatten wirklich extrem groß gewesen war und daß er mir tatsächlich einen Moment die Sicht auf das Feuer verdeckt hatte. Das war jedoch so schnell geschehen, daß ich mich zuerst nicht daran hatte erinnern können.
Dann machte er mich darauf aufmerksam, daß die Funken sehr groß gewesen und nach links geflogen waren. Ich hatte es selbst bemerkt. Ich meinte, wahrscheinlich hatte der Wind in diese Richtung geweht. Don Juan antwortete, daß es überhaupt keinen Wind gegeben habe. Damit hatte er recht. Als ich mir das Erlebnis ins Gedächtnis rief, erinnerte ich mich, dass die Nacht windstill gewesen war. Eine weitere Sache, die ich völlig übersehen hatte, war ein grünlicher Schein in den Flammen, den ich entdeckte, als Don Juan mir bedeutete, unverwandt ins Feuer zu schauen, nachdem der Schatten zum erstenmal mein Gesichtsfeld durchquert hatte. Don Juan erinnerte mich daran. Er beanstandete auch, daß ich es einen Schatten nannte. Er sagte, es sei rund und mehr wie eine Blase gewesen. Zwei Tage später, am 17. Dezember 1969, sagte Don Juan ganz beiläufig, daß ich nun alle Einzelheiten und erforderlichen Techniken kannte, um selbst in die Berge zu gehen und mir ein Machtobjekt, einen Geisterfänger zu verschaffen. Er drängte mich, es allein zu tun, und versicherte mir, daß seine Gesellschaft nur hinderlich sein würde.
Ich war bereit aufzubrechen, da schien er seine Meinung zu ändern. »Du bist nicht stark genug«, sagte er. »Ich werde bis zum Fuß der Hügel mit dir gehen.« Als wir in dem kleinen Tal waren, wo ich den Verbündeten gesehen hatte, untersuchte er aus der Ferne die Formation des Geländes, das ich ein Loch in den Hügeln genannt hatte, und sagte, wir müßten noch weiter nach Süden, in die fernen Berge gehen. Der Sitz des Verbündeten sei am äußersten Punkt, den wir durch das Loch sehen konnten.
Ich schaute die Formation an, und alles, was ich entdecken konnte, war die bläuliche Masse der fernen Berge. Er führte mich aber in südöstlicher Richtung, und nachdem wir mehrere Stunden gegangen waren, erreichten wir einen Punkt, von dem er sagte, er befinde sich »tief genug« im Bereich des Verbündeten. Es war später Nachmittag, und wir hielten an. Wir setzten uns auf ein paar Steine. Ich war müde und hungrig. Den ganzen Tag hatte ich nichts zu mir genommen als einige Tortillas und Wasser. Don Juan stand plötzlich auf, sah zum Himmel und befahl mir in energischem Ton, in die Richtung aufzubrechen, die die beste für mich war, und dafür zu sorgen, daß ich mir die Stelle, wo wir uns gerade befanden, genau einprägte, so daß ich wieder zurückkehren konnte, sobald ich es geschafft hatte. Er sagte mit beruhigender Stimme, daß er auf mich warten werde, und wenn es ewig dauerte. Ich fragte besorgt, ob er glaubte, daß die Beschaffung eines Geisterfängers lange dauern würde. »Wer weiß?« sagte er, geheimnisvoll lächelnd. Ich ging in Richtung Südosten davon und drehte mich ein paarmal nach Don Juan um. Er ging sehr langsam in die entgegengesetzte Richtung. Ich kletterte auf den Gipfel eines großen Hügels und hielt wieder nach Don Juan Ausschau. Er war gut zweihundert Meter entfernt. Er sah mir nicht nach. Ich lief den Hügel hinab, zu einer kleinen, schalenförmigen Vertiefung zwischen den Hügeln, und plötzlich war ich allein. Ich setzte mich für einen Augenblick und begann mich zu fragen, was ich hier tat. Ich kam mir lächerlich vor, hier nach einem Geisterfänger zu suchen. Ich lief zurück, hinauf auf den Gipfel des Hügels, um Don Juan besser sehen zu können, aber ich konnte ihn nirgends entdecken. Ich rannte in der Richtung, in der ich ihn zuletzt
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