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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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gesehen hatte, den Hügel hinab. Ich wollte die ganze Sache abbrechen und nach Hause fahren. Ich kam mir recht töricht vor und war müde. »Don Juan!« schrie ich immer wieder.
    Er war nirgends zu sehen; ich lief auf einen anderen Hügel. Aber auch von dort konnte ich ihn nicht sehen. Ich lief ein ganzes Stück in der Gegend umher und suchte nach ihm, aber er war verschwunden. Ich verfolgte meine Spuren zurück zum Ausgangspunkt, wo er mich verlassen hatte. Ich hatte die absurde Gewißheit, er werde dort sitzen und über meinen Wankelmut lachen.
    »Worauf, zum Teufel, habe ich mich eingelassen?« sagte ich laut. Dann erkannte ich, daß es keine Möglichkeit gab, dieses Unternehmen abzubrechen. Ich wußte nicht, wie ich zu meinem Auto zurückfinden sollte. Don Juan hatte mehrmals die Richtung gewechselt, und die allgemeine Orientierung an den vier Himmelsrichtungen reichte nicht aus. Ich hatte Angst, mich in den Bergen zu verirren. Ich setzte mich, und zum erstenmal in meinem Leben hatte ich das eigenartige Gefühl, daß es nie wirklich möglich war, zu einem ursprünglichen Ausgangspunkt zurückzukehren. Don Juan hatte gesagt, ich beharrte immer auf einem Ausgangspunkt, den ich den Anfang nannte, während es doch in Wirklichkeit keinen Anfang gebe. Und hier, mitten in den Bergen, glaubte ich zu verstehen, was er meinte. Es war, als sei der Ausgangspunkt immer ich selbst gewesen. Es war, als sei Don Juan niemals wirklich dagewesen; und als ich nach ihm Ausschau hielt, wurde er zu dem, was er wirklich war - ein flüchtiges Bild, das über den Hügeln verschwand. Ich vernahm das leise Rascheln der Blätter und ein eigenartiger Duft hüllte mich ein. Ich spürte den Wind als Druck auf den Ohren, wie ein verhaltenes Summen. Die Sonne stand im Begriff, ein paar schmale kompakte Wolken über dem Horizont zu berühren, die wie tief-orange gefärbtes Band aussahen, als sie hinter einer schweren, niedrigeren Wolkendecke verschwand. Im nächsten Moment erschien sie wieder wie ein karmesinroter, im Dunst schwebender Ball. Sie schien einen Augenblick zu kämpfen, um einen Flecken blauen Himmels zu erreichen, aber es war, als wollten die Wolken der Sonne keine Zeit lassen, und dann schienen das orangene Band und die dunkle Silhouette der Berge sie zu verschlingen. Ich legte mich auf den Rücken. Die Welt um mich her war so still, so heiter und zugleich so fremdartig, daß ich überwältigt war. Ich wollte nicht weinen, aber die Tränen kamen einfach geflossen.
    In dieser Haltung blieb ich stundenlang liegen. Ich war fast unfähig aufzustehen. Die Steine unter mir waren hart, und gerade dort, wo ich mich hingelegt hatte, wuchs so gut wie nichts, während ringsumher überall saftig grüne Büsche standen. Von meinem Platz aus konnte ich auf den Hügeln im Osten einen Saum hoher Bäume sehen. Schließlich wurde es ziemlich dunkel; ich fühlte mich besser, ja, ich war beinah glücklich. Für mich war das Halbdunkel viel tröstlicher und beschützender als das harte Tageslicht. Ich stand auf, kletterte auf einen niedrigen Hügel und wiederholte die Bewegungen, die Don Juan mich gelehrt hatte. Ich lief siebenmal nach Osten, und dann spürte ich eine Temperaturveränderung in meiner Hand. Ich schichtete das Holz für ein Feuer auf und achtete, wie Don Juan mir eingeschärft hatte, sorgfältig auf alle Einzelheiten. Stunden vergingen, ich wurde sehr müde und fror. Ich sammelte einen ansehnlichen Haufen trockener Zweige. Ich nährte das Feuer und setzte mich näher ran. Das Wachen war eine solche Anstrengung und Anspannung, daß es mich erschöpfte. Ich begann einzunicken. Zweimal schlief ich ein und wachte davon auf, daß mein Kopf zur Seite fiel. Ich war so schläfrig, daß ich das Feuer nicht mehr beobachten konnte. Ich trank etwas Wasser und besprenkelte sogar mein Gesicht, um wach zu bleiben. Ich konnte aber nur für kurze Augenblicke meine Schläfrigkeit bekämpfen. Irgendwie wurde ich mutlos und gereizt. Es kam mir sehr dumm vor, daß ich hier war, und das löste ein Gefühl irrationaler Frustration und Niedergeschlagenheit in mir aus. Ich war müde, hungrig, schläfrig und hatte eine absurde Wut auf mich selbst. Schließlich gab ich es auf, den Schlaf zu bekämpfen. Ich tat einen großen Haufen trockener Zweige ins Feuer und legte mich schlafen. Die Suche nach einem Verbündeten und einem Geisterfänger erschien mir in diesem Moment als ein ziemlich lächerliches und seltsames Unternehmen. Ich war so schläfrig, daß ich nicht

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