Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
Geräusche waren irgendwie überirdisch; sie zielten auf meinen Bauch; und der Gedanke, daß Don Juan mir einen Streich spielte, war äußerst unwahrscheinlich. Meine Bauchmuskeln waren sehr straff, obwohl ich keine Krämpfe mehr hatte. Ich fuhr fort, zu singen und tief durchzuatmen, und ich spürte, wie eine tröstliche Wärme meinen ganzen Körper überschwemmte. Es war mir klargeworden, daß ich mich an Don Juans Lehren halten mußte, wenn ich überleben wollte. Ich wiederholte in Gedanken seine Anweisungen. Ich erinnerte mich genau an die Stelle, wo die Sonne über den Bergen verschwunden war, und verglich sie mit dem Hügel, auf dem ich gewesen war, und der Stelle, wo ich kauerte. Ich reorientierte mich, und als ich überzeugt war, daß ich die Himmelsrichtungen richtig abschätzte, begann ich meine Position zu verändern, so daß mein Kopf in eine andere, bessere Richtung, nach Südosten wies. Langsam bewegte ich meine Füße Zentimeter um Zentimeter nach links, bis ich sie unter den Waden verschränkt hatte. Dann wollte ich meinen Körper mit den Füßen in eine andere Lage schieben, aber kaum hatte ich begonnen seitwärts zu kriechen, als ich einen seltsamen Schlag spürte; ich hatte wirklich das körperliche Gefühl, daß etwas meinen Hals von hinten berührte. Es geschah so schnell, daß ich einen Schrei ausstieß und wieder erstarrte. Ich straffte die Bauchmuskeln und begann tief zu atmen und meine Peyote-Lieder zu singen. Kurz danach spürte ich wieder denselben leichten Schlag im Genick. Ich krümmte mich zusammen. Mein Genick war unbedeckt, und ich konnte nichts unternehmen, um mich zu schützen. Wieder berührte mich etwas. Es war ein sehr weicher, fast seidiger Gegenstand, der meinen Hals wie die pelzige Pfote eines riesigen Kaninchens berührte. Es berührte mich noch einmal, und dann begann es über mein Genick hin- und herzustreichen, bis ich in Tränen ausbrach. Es war, als liefe eine Herde lautloser, weicher, gewichtloser Känguruhs über meinen Hals. Ich konnte die weichen, dumpfen Schläge hören, wie sie sanft auf mir herumtraten. Es war in keiner Weise ein schmerzhaftes Gefühl, und doch machte es mich verrückt. Ich wußte, daß ich verrückt werden, aufspringen und davonlaufen würde, wenn mir nicht sofort etwas einfiel. So begann ich wieder meinen Körper langsam in eine andere Lage zu manövrieren. Auf meinen Versuch, mich zu bewegen, schien sich das Klopfen in meinem Genick zu verstärken. Schließlich wurde es so wild, daß ich meinen Körper mit einem einzigen Ruck in die neue Lage brachte. Ich hatte keine Ahnung, was dabei herauskommen würde. Ich tat ganz einfach irgend etwas, um nicht vollends verrückt zu werden.
Kaum hatte ich meine Richtung verändert, da hörte das Klopfen in meinem Genick auf. Nach einer langen, quälenden Pause hörte ich in der Ferne das Knacken zerbrechender Äste. Die Geräusche waren nicht mehr neben mir. Es war, als hätten sie sich an eine andere, weit von mir entfernte Stelle zurückgezogen. Die Laute brechender Äste vermischten sich im nächsten Moment mit dem Rascheln von Blättern, als werde der ganze Hügel von einem starken Windstoß erschüttert. Alle Büsche um mich her schienen zu beben, und doch war es kein Wind. Das Rascheln und die knackenden Zweige riefen den Eindruck hervor, als brenne der ganze Hügel. Mein Körper war wie zu Stein erstarrt. Ich schwitzte entsetzlich. Mir wurde immer heißer und heißer. Einen Augenblick war ich fest davon überzeugt, daß der Hügel brannte. Ich sprang nicht auf, um davonzulaufen, weil mein Körper sich so taub anfühlte, daß ich wie gelähmt war. Ich konnte nicht einmal die Augen öffnen. In diesem Moment zählte für mich nur eines — aufstehen und dem Feuer entkommen. Ich hatte furchtbare Magenkrämpfe, die mir das Atemholen unmöglich zu machen begannen. Der Versuch, Luft zu holen, war sehr mühsam. Nach langem Kampf war ich wieder fähig, tiefe Atemzüge zu machen, und ich konnte auch feststellen, daß das Rascheln abgeklungen war. Nur noch von Zeit zu Zeit waren einige krachende Laute zu hören. Das Geräusch brechender Äste entfernte sich weiter und weiter und wurde immer sporadischer, bis es ganz aufhörte.
Ich konnte die Augen öffnen. Aus halboffenen Augen sah ich auf den Boden unter mir. Es war beinah Tag. Ich wartete noch eine Weile, ohne mich zu bewegen, und dann begann ich meine Glieder auszustrecken. Ich drehte mich auf den Rücken. Die Sonne stand über den Hügeln im Osten.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher