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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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brauchte Stunden, um meine Beine zu strecken und mich den Hügel hinabzuschleppen. Ich machte mich zu der Stelle auf den Weg, wo Don Juan mich verlassen hatte. Sie war vielleicht eine Meile entfernt, doch bis zum Nachmittag hatte ich kaum den Saum des Wäldchens erreicht, immer noch eine gute Viertelmeile vom Ziel entfernt.
    Ich konnte nicht mehr gehen, um keinen Preis. Mir fielen die Berglöwen ein, und ich versuchte auf einen Baum zu klettern, aber meine Arme trugen mein Gewicht nicht mehr. Ich lehnte mich gegen einen Felsen und beschloß, hier zu sterben. Ich war überzeugt, daß ich als Fraß für Berglöwen oder andere Raubtiere enden würde. Ich hatte nicht einmal die Kraft, einen Stein zu werfen. Ich hatte weder Hunger noch Durst. Gegen Mittag hatte ich einen kleinen Bach gefunden und viel Wasser getrunken, aber das hatte mir nicht geholfen, meine Kraft wiederzugewinnen. Wie ich dort in letzter Hilflosigkeit saß, war ich eher niedergeschlagen als ängstlich. Ich war so müde, daß mir mein -Schicksal egal war, und schlief ein.
    Ich wachte davon auf, daß ich gerüttelt wurde. Don Juan beugte sich über mich. Er half mir, mich aufzusetzen und gab mir Wasser und etwas Haferbrei. Er lachte und sagte, ich sähe elend aus. Ich versuchte ihm zu erzählen, was geschehen war, doch er brachte mich zum Schweigen und sagte, ich hätte mein Ziel verfehlt, der Platz, an dem ich ihn treffen sollte, sei kaum hundert Meter weit entfernt. Dann schleppte er mich buchstäblich bergab. Er sagte, er wolle mich zu einem großen Fluß bringen und mich dort waschen. Unterwegs verstopfte er mir die Ohren mit bestimmten Blättern, die er in seinem Beutel hatte, und dann verband er mir die Augen, indem er auf jedes Auge ein Blatt legte und ein Stück Stoff darüber wickelte. Er ließ mich die Kleider ausziehen und befahl mir, die Hände über die Augen und Ohren zu legen und dafür zu sorgen, daß ich nichts hören und nichts sehen konnte. Don Juan rieb meinen Körper mit Blättern ab, und dann warf er mich in einen Fluß. Ich fühlte, daß es ein großer Fluß war. Er war tief. Ich stand aufrecht und konnte nicht den Grund erreichen. Don Juan hielt mich am rechten Ellbogen fest. Zuerst spürte ich die Kälte des Wassers nicht, aber nach und nach begann ich zu frösteln, und dann wurde die Kälte unerträglich. Don Juan zog mich heraus, trocknete mich mit einigen Blättern ab, die einen eigenartigen Duft hatten. Ich zog mich an, und er führte mich fort. Wir waren ein gutes Stück gegangen, ehe er die Blätter von meinen Augen und Ohren nahm. Don Juan fragte, ob ich mich stark genug fühlte, um zum Auto zurückzugehen. Das Unheimliche war, daß ich mich sehr stark fühlte. Ich rannte sogar, um dies zu beweisen, einen steilen Hang hinauf.
    Auf dem Weg zum Auto hielt ich mich immer eng neben Don Juan. Ich stolperte unzählige Male, und er lachte. Ich stellte fest, daß sein Lachen eine besonders belebende Wirkung hatte, und es wurde zum Angelpunkt meiner Erholung. Je mehr er lachte, desto besser fühlte ich mich.
    Am nächsten Tag erzählte ich Don Juan der Reihe nach meine Erlebnisse, beginnend mit dem Augenblick, als er mich verlassen hatte. Er lachte bei meinem Bericht die ganze Zeit, besonders als ich ihm sagte, daß ich angenommen hatte, es sei einer seiner Tricks gewesen.
    »Du glaubst immer, du würdest hereingelegt«, sagte er. »Du vertraust dir selbst zu sehr. Du tust so, als wüßtest du alle Antworten. Du weißt nichts, mein kleiner Freund, gar nichts.« Dies war das erste Mal, daß Don Juan mich >mein kleiner Freund< nannte. Ich war überrascht. Er bemerkte es und lächelte. In seiner Stimme lag sehr viel Wärme, und das machte mich traurig. Ich sagte, daß ich unachtsam und unfähig gewesen sei, weil das meiner charakterlichen Veranlagung entspräche und daß ich nie seine Welt begreifen würde. Ich war zutiefst aufgewühlt. Er machte mir Mut und behauptete, ich hätte es sehr gut gemacht. Ich fragte ihn, was mein Erlebnis zu bedeuten habe. »Es hat nichts zu bedeuten«, entgegnete er. »Das gleiche hätte jedem passieren können, besonders jemandem wie dir, dessen Öffnung nicht mehr ganz geschlossen ist. Das ist überhaupt nicht ungewöhnlich. Jeder Krieger, der auf die Suche nach Verbündeten geht, könnte dir von ihren Taten erzählen. Was sie dir antaten, war milde. Immerhin ist deine Öffnung offen, darum bist du auch so nervös. Du kannst nicht über Nacht ein Krieger werden. Jetzt mußt du nach Hause fahren und

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