Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
verschwörerischen Blick zu. Ich setzte mich wieder aufrecht und drehte mich zu Don Juan um, aber der schaute fort. Einen Moment wurde ich unsicher und hatte den ärgerlichen Eindruck, Don Juan tue so, als sei er unbeteiligt, als ginge ich ihn nichts an. Don Genaro lachte; er schien auf meine Reaktion zu warten. Ich bat ihn, mir noch einmal die Hand auf die Schulter zu legen, aber er wollte nicht. Ich drängte ihn, mir wenigstens zu sagen, was er mit mir angestellt hatte. Er kicherte. Ich wandte mich wieder an Don Juan und sagte, daß mich das Gewicht von Don Genaros Hand beinah erdrückt hätte.
»Das kann ich nicht beurteilen«, sagte Don Juan in einem sachlich komischen Ton, »er hat seine Hand nicht auf meine Schulter getan.«
Darüber brachen beide in Gelächter aus. »Was hast du mit mir gemacht, Don Genaro?« fragte ich. »Ich habe einfach meine Hand auf deine Schulter gelegt«, sagte er unschuldig. »Tu's noch einmal«, sagte ich.
Er weigerte sich. An diesem Punkt mischte sich Don Juan in die Unterhaltung und bat mich, Don Genaro zu schildern, was mir bei meinem letzten Erlebnis widerfahren war. Ich glaubte, sie wollten eine aufrichtige Beschreibung dessen hören, was mir passiert war, aber je ernsthafter mein Bericht wurde, desto lauter lachten sie. Ich unterbrach mich zwei- oder dreimal, aber sie drängten mich, fortzufahren. »Der Verbündete wird zu dir kommen, ungeachtet deiner Gefühle«, sagte Don Juan, als ich meinen Bericht beendet hatte. »Ich meine, du brauchst nichts zu tun, um ihn herbeizurufen. Du kannst dasitzen und deine Daumen drehen oder an die Frauen denken, und dann klopft es plötzlich auf deine Schulter, du drehst dich um, und der Verbündete steht neben dir.«
»Was kann ich tun, wenn das passiert?« fragte ich. »Moment mal«, sagte Don Genaro. »Das ist keine gute Frage. Du solltest nicht fragen, was du tun kannst. Offensichtlich kannst du gar nichts tun. Du solltest fragen, was kann ein Krieger tun?«
Er drehte sich zu mir herum und blinzelte. Er neigte den Kopf leicht nach rechts und spitzte den Mund. Ich schaute zu Don Juan rüber und erwartete eine Andeutung, ob ich das als Witz auffassen sollte, aber er behielt sein ernstes Gesicht bei. »Nun gut«, sagte ich, »was kann ein Krieger tun?« Don Genaro blinzelte und schmatzte mit den Lippen, als suche er nach dem richtigen Wort. Er schaute mich starr an und rieb sich das Kinn.
»Ein Krieger macht sich in die Hosen«, sagte er mit indianischer Feierlichkeit. Don Juan bedeckte sein Gesicht mit den Händen und Don Genaro stampfte auf den Boden und brach in ein brüllendes Gelächter aus.
»Angst ist etwas, was man nie überwindet«, sagte Don Juan, nachdem das Lachen abgeklungen war. »Wenn ein Krieger so in die Ecke getrieben wird, dann kehrt er dem Verbündeten einfach den Rücken zu, ohne zweimal nachzudenken. Ein Krieger kann sich nicht gehenlassen, darum kann er nicht vor Angst sterben. Ein Krieger erlaubt dem Verbündeten nur dann zu kommen, wenn er sich gut fühlt und bereit ist. Wenn er stark genug ist, um mit dem Verbündeten zu ringen, dann öffnet er seine Öffnung und stürzt nach vorn, packt den Verbündeten, drückt ihn zu Boden und fixiert ihn mit den Augen, solange es nötig ist. Dann wendet er den Blick ab, gibt den Verbündeten frei und läßt ihn laufen. Ein Krieger, mein kleiner Freund, ist immer Herr der Lage.«
»Was passiert, wenn man einen Verbündeten zu lange anstarrt?« fragte ich.
Don Genaro sah mich an und machte eine komische Gebärde, als wolle er jemanden mit einem Blick aus der Fassung bringen.
»Wer weiß?« sagte Don Juan. »Vielleicht wird Genaro dir erzählen, was ihm passiert ist.«
»Vielleicht«, sagte Don Genaro und kicherte. »Erzählst du's mir bitte?« Don Genaro stand auf, reckte die Arme, so daß seine Knochen knackten und riß die Augen mit irrem Blick rund auf. »Genaro geht jetzt und läßt die Wüste erzittern«, sagte er und verschwand im Chaparral.
»Genaro ist bereit, dir zu helfen«, sagte Don Juan in vertraulichem Ton. »Er hat damals, als wir bei ihm waren, dasselbe mit dir gemacht, und du hast beinah gesehen.« Ich glaube, er spräche über das, was sich am Wasserfall zugetragen hatte, aber er meinte gewisse überirdische donnernde Geräusche, die ich damals bei Don Genaro gehört hatte.
»Übrigens, was war das eigentlich«, fragte ich. »Wir lachten darüber, aber du hast mir nie erklärt, was es war.«
»Du hast mich nie gefragt.«
»Doch, das habe
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