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Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan

Titel: Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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ich.«
»Nein. Du hast mich nach allem möglichen gefragt, nur danach nicht.« Don Juan sah mich vorwurfsvoll an.
    »Das war Genaros Kunst«, sagte er. »Nur Genaro kann das. Damals hast du beinah gesehen.«
    Ich sagte ihm, daß ich nie auf die Idee gekommen war, das Sehen mit diesen seltsamen Geräuschen in Verbindung zu bringen, die ich damals gehört hatte. »Und warum nicht?« fragte er knapp. »Sehen hat für mich etwas mit den Augen zu tun«, sagte ich. Er schaute mich einen Augenblick prüfend an, als stimme mit mir irgendwas nicht.
    »Ich habe nie behauptet, daß Sehen nur eine Sache der Augen ist«, sagte er und schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie macht er es?« fragte ich. »Er hat dir schon gesagt, wie er es macht«, sagte Don Juan scharf. In dem Moment hörte ich ein ungewöhnliches Rumpeln. Ich sprang auf, und Don Juan fing an zu lachen. Das Rumpeln hörte sich an wie eine donnernde Lawine. Während ich darauf horchte, kam mir die belustigende Erkenntnis, daß mein Erfahrungsschatz, was Geräusche angeht, eindeutig aus dem Kino stammt. Das dumpfe Donnern, das ich vernahm, glich dem unterlegten Ton aus einem Film, wenn eine ganze Bergflanke zu Tal stürzt.
    Don Juan hielt sich die Seiten, als schmerzten sie vor Lachen. Das donnernde Rumpeln erschütterte den Boden unter mir. Ich hörte eindeutig einen Aufprall, wie von einem zur Seite rollenden Felsblock. Ich vernahm eine Reihe krachender Stöße, die klangen, als rollte der Felsen unausweichlich auf mich zu. Einen Augenblick war ich vollkommen verwirrt. Meine Muskeln waren angespannt; mein ganzer Körper war bereit zur Flucht.
    Ich schaute zu Don Juan. Er starrte mich an. Dann hörte ich die furchtbarste Erschütterung, die ich je im Leben vernommen hatte. Es war, als sei direkt hinter dem Haus ein gigantischer Felsen zu Boden gestürzt. Alles wackelte, und in diesem Moment hatte ich eine höchst seltsame Wahrnehmung. Einen Augenblick »sah« ich tatsächlich hinter dem Haus einen Felsblock von der Größe eines Berges. Es war nicht so, als würde das Bild eines Felsens den Schauplatz des Hauses überlagern. Es war auch nicht das Bild eines wirklichen Felsens. Es war eher so, als riefe der  Lärm das Bild eines auf seine gigantischen Flanken stürzenden Felsblocks hervor. Ich »sah« tatsächlich den Lärm. Das Unerklärliche meiner Wahrnehmung führte mich in eine tiefe Hoffnungslosigkeit und Verwirrung. Nie im Leben hätte ich geglaubt, daß meine Sinne zu einer solchen Wahrnehmung fähig wären. Ich hatte einen Anfall von rationaler Furcht und beschloß, um mein Leben zu laufen. Don Juan hielt mich am Arm fest und befahl mir gebieterisch, nicht davonzulaufen und mich auch nicht umzudrehen, sondern in die Richtung zu schauen, in die Don Genaro gegangen war. Als nächstes hörte ich eine Folge donnernder Geräusche, die wie der Lärm von fallenden und sich aufeinanderhäufenden Felsbrocken erschienen, und dann war wieder alles ruhig. Ein paar Minuten später kam Don Genaro zurück und setzte sich hin. Er fragte mich, ob ich gesehen hätte. Ich wußte nicht, was Ich sagen sollte. Ich wandte mich ratsuchend an Don Juan. Er sah mich starr an.
    Ich glaube ja«, sagte er und kicherte. «Ich wollte sagen, daß ich nicht wußte, wovon sie sprachen. Ich war furchtbar frustriert. Ich hatte ein körperliches Gefühl der Wut, des äußersten Unbehagens.
    »Ich glaube, wir sollten ihn allein lassen«, sagte Don Juan. Sie standen auf und gingen davon.
    »Carlos läßt sich in seiner Verwirrung gehen«, sagte Don Juan ziemlich laut. » Ich blieb mehrere Stunden allein und hatte Zeit, mir Aufzeichnungen zu machen und über die Absurdität meines Erlebnisses nachzudenken. Als ich es mir überlegte, wurde mir klar, daß die Situation von dem Augenblick an, als ich Don Genaro unter der ramada sitzen sah, einen possenhaften Charakter angenommen hatte. Je mehr ich darüber nachdachte, desto fester war ich davon überzeugt, daß Don Juan Don Genaro die Kontrolle überlassen hatte, und dieser Gedanke machte mir Sorgen. Don Juan und Don Genaro kehrten in der Dämmerung zurück. Sie setzten sich neben mich. Don Genaro rückte näher und lehnte sich beinah an mich. Seine magere, zerbrechliche Schulter berührte mich leicht, und ich erlebte die gleiche Empfindung, die ich hatte, als er mir auf die Schulter klopfte. Ein erdrückendes Gewicht warf mich um, und ich fiel auf Don Juans Schoß. Er half mir, mich aufzurichten und fragte scherzhaft, ob ich in seinem Schoß

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