Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Fahrer hatte alle Mühe, sich auf den Rädern zu halten und stemmte dann die Beine auf die Straße, während er den Motor abwürgte. Er starrte auf den verkrümmten Körper, stieg aus dem Sattel, ließ das Moped einfach umfallen und kniete sich neben den Liegenden. Als er den rotweiß lackierten Helm abnahm, quollen lange blonde Haare hervor und wehten um ein schmales, entsetztes Mädchengesicht.
    Das Mädchen streckte beide Hände aus, zögerte einen Augenblick, griff dann aber kraftvoll zu und drehte den verkrümmten Körper auf den Rücken. »Sind Sie verletzt?« fragte es. »Was haben Sie?«
    »Ich liege immer hier!« Der junge Mann streckte sich, wischte sich mit dem Handrücken das Blut von der Stirn und setzte sich. Er trug ausgebeulte schwarze Cordhosen, ein bis zum Gürtel offenes kariertes Hemd und darüber einen grünen, geflickten Parka amerikanischer Herkunft. An einer dicken silbernen Kette baumelten ein in Silber gefaßter großer, gebogener Tierzahn, ein Amulett, das einen indischen Götterkopf darstellte, und ein koptisches Kreuz. Seine braunen Haare waren schulterlang – fast so lang wie die blonden Mädchenhaare, aber strähnig, stumpf und über der Stirn mit Blut verklebt.
    »Meine Spezialität!« sagte er. Seine Stimme klang heiser, mit einem weinerlichen Unterton. Als er nochmals die Hand hob, um das Blut wegzuwischen, zitterten seine Finger, als durchjage ihn ein Schüttelfrost. »Ich übernachte hier! Glotz nicht so dämlich! Hau ab, sage ich!«
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragte das Mädchen.
    »Helfen? Mir? Du?!« Der junge Mann zog die Beine an, stemmte sich hoch, aber als das Mädchen ihm unter die Arme greifen und ihn stützen wollte, schüttelte er sie ab. Als er stand, schwankte er, drehte den Kopf zu ›Ferrys Schuppen‹, sagte laut: »Ihr verdammten Arschlöcher!« und ging verkrampft, wie eine aufgezogene Puppe, auf die andere Straßenseite. Dort lehnte er sich an die Hauswand, schüttelte sich wie ein Hund, der aus dem Wasser steigt, und sah dem Mädchen zu, das sein Moped über die Straße schob und neben ihm stehenblieb. »Sie bluten!« sagte das Mädchen und stützte sich auf den Lenker. »Was ist denn passiert?«
    »Scheiß drauf! Zisch ab, Biene!«
    »Soll ich Sie zu einem Arzt bringen?«
    »Ach du dickes Ei! Arzt?! Wie tickst du denn?« Er äffte ihr nach mit verstellter Fistelstimme: »Kann ich Ihnen helfen! – Ihnen! Wo sind wir denn? Kommst wohl aus 'nem Stall, wo die Hühner von goldenen Tellern fressen, was? Wer bist du?«
    »Ich heiße Monika Barrenberg. Und – du?«
    »Freddy the Tiger!« Er tippte auf den in Silber gefaßten Zahn vor seiner Brust. »Der ist echt! Von 'nem richtigen Tiger. Hab' ihn aus Indien mitgebracht. War das 'ne Schau, als sie das Biest endlich geschossen hatten! Ein Menschenfresser. Hatte schon vierzehn Bauern im Bauch! Ich hab' mir den Zahn aussuchen können … Ich hab' damals einen der Treiber gespielt …«
    »Du warst in Indien?« fragte Monika Barrenberg. Sie holte aus ihrer Lederjacke ein Taschentuch und drückte es Freddy auf die Schürfwunde. Er sah sie verblüfft, fast erschrocken an, ließ es aber geschehen. Er lehnte sogar den Kopf an die Mauer zurück und schloß die Augen.
    Der zarte Parfümgeruch des Taschentuches machte ihm übel. Er begann zu würgen, das Zittern in seinem Körper verstärkte sich. Die Finger ballten sich zu Fäusten, er drückte sie gegen seine Brust.
    »Nimm das Scheißtuch weg!« keuchte er. »Ich muß gleich kotzen!«
    »Du hast eine Gehirnerschütterung!«
    »Blödes Luder!«
    »Übelkeit nach einem Sturz ist der Beweis für eine Gehirnerschütterung. Ich habe das in einem Erste-Hilfe-Kurs beim Roten Kreuz gelernt.«
    »Du lieber Himmel – halts Maul!« keuchte Freddy. »Ich bin auf'n Affen …« Er stieß Monikas Hand mit dem Taschentuch weg und stierte sie aus zitternden Augen an. »Das habt ihr feinen Miezen beim Roten Kreuz nicht gelernt, was? Noch 'ne halbe Stunde, und ich lecke die Straße ab! Ich kenne das. Diese Sauhunde da drüben! Lassen einen verrecken, lassen einen kalt lächelnd verrecken, und haben genug zum Drücken in der Tasche! Fünfzig Mark für einen scheißigen ›Hongkong-Rock‹! Die haben wohl 'ne Meise! Glotz nicht so dämlich! Ich muß achtmal am Tag drücken, um über die Runden zu kommen. Das sind vierhundert Mark, am Tag! Die bringen mich um, die Hunde, die bringen mich um …«
    Er preßte die Fäuste gegen seinen Bauch, krümmte sich nach vorn und schlug die Zähne

Weitere Kostenlose Bücher