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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einen halben Schuß … Von mir aus einen billigen Hongkong … nur ein bißchen, ein bißchen …«
    Monika wußte später nicht zu erklären, was sie dazu bewogen hatte, Freddy in seinem gefährlichen Zustand an der Hauswand zu lassen und mit festen Schritten über die Straße zu gehen. Mitten auf der Fahrbahn hob sie die Hand und rief mit heller Stimme:
    »Kemal! Bleiben Sie stehen!«
    Der Mann, der Kemal hieß, wirbelte herum, als habe er einen Schuß in den Rücken bekommen. Die beiden anderen Männer sprangen sofort an die Hauswand, während das Mädchen sich duckte und weglaufen wollte. Dann erkannten sie alle zur gleichen Zeit nur einen einzigen Gegner: ein Weib in einer Lederkombination. Man hatte die Polizei schon in vielen Variationen erlebt, auch als Rocker, Zuhälter und Dealer, aber noch nie hatte sie die Dummheit begangen, eine junge Beamtin allein und als Rockerbraut verkleidet ins Feuer zu schicken. Möglich, daß irgendwo die anderen Burschen vom Einsatzkommando lauerten, um zu beobachten, wie sich Kemal benehmen würde.
    »Ganz ruhig!« sagte Kemal durch die Zähne. Er war ein großer, hagerer Mensch mit dem olivbraunen Teint des Orientalen, ohne den typischen Schnauzbart der Türken, auch ohne ihre schwarzen, wachen Augen. Er glich eher einem ausgezehrten, lebergeschädigten Arbeiter, der frühzeitig auf Rente gesetzt war. »Die müssen uns für ausgesprochen dämlich halten.« Er sprach ein gutes Deutsch, mit hessischem Einschlag. Seit vierzehn Jahren lebte er in Frankfurt, hatte fünf Jahre im Straßenbau gearbeitet, dann drei Jahre in einer chemischen Fabrik, vier Jahre als Kellner in einer Schwulenkneipe und zwei Jahre als Portier vor einem Pornoschuppen in der Moselstraße. Dann hatte er sich selbständig gemacht, war schnell zu Geld gekommen, hatte sich eine Eigentumswohnung gekauft, fuhr einen Alfa und war seit einiger Zeit mit einer Landsmännin verheiratet, die als Bauchtänzerin in einem Etablissement an der Kaiserstraße aufgetreten war. Woher sein plötzlicher Aufstieg kam, war kein Gesprächsthema mehr in Frankfurt. Schon wiederholt waren Neugierige in Frankfurter Kliniken eingeliefert worden, immer mit den gleichen Verletzungen: Ihre Gesichter waren mit einem Rasiermesser zerschnitten. Aber die Verstümmelten schwiegen, trotz wochenlanger Verhöre durch die Polizei. Ein paar Narben im Gesicht sind besser als eine enge Kiste unter der Erde. Kemal der Türke hatte es geschafft. Gegen die große chinesische Konkurrenz, die von Amsterdam aus arbeitete und ganz Westeuropa kontrollierte, hatte er mit Hilfe von dreiunddreißig türkischen Familien einen Ring aufgebaut, der völlig undurchlässig war. Die Ware kam nicht mit Massentransporten per Schiff, Lastwagen oder Flugzeug, sondern ganz brav im Handgepäck aus dem Heimaturlaub zurückkehrender türkischer Gastarbeiter. Wer will sie kontrollieren, diese nie endende Völkerwanderung? Was nutzen Schnüffelhunde in Frankfurt, wenn in München mit einem Sonderzug 6.000 Urlauber fröhlich, winkend und gestikulierend aus Istanbul eintreffen und ihre zweite Heimat Deutschland mit rührender Liebe begrüßen?! Wer fände da bei Yügel die 20 Gramm Heroin, die in einer Unterhose eingerollt sind, oder die 50 Gramm bei der schönen, blitzäugigen Leila, die weich und sicher in einem Karton mit Binden liegen?
    Nur einen Feind hatte Kemal der Türke, aber den konnte er nicht ausmachen. Der Unbekannte war der ganz Große im Frankfurter Umschlagplatz. Man kannte seinen Namen nicht, man hatte ihn nie gesehen, nie gesprochen … Er operierte aus dem Hinterhalt über Delegierte und Unterdelegierte, und er schickte sogenannte Informationstrupps, deren Aufgabe es war, Leuten wie Kemal das Leben schwer zu machen. Noch war es nicht zu einer offenen Auseinandersetzung gekommen, aber Kemal erwartete sie in aller Kürze. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, vor allem der Tod zweier seiner türkischen Freunde, die – laut Frankfurter Polizeiakten – an einer Überdosis Heroin, dem ›Goldenen Schuß‹, gestorben waren.
    Das war lächerlich. Die beiden Türken waren biedere Familienväter gewesen, die das von der türkischen ›Fabrik‹ gelieferte weiße 80%ige Heroinpulver, eine geradezu goldene Ware, nur herübergebracht und Kemal abgeliefert hatten. Sie selber verabscheuten die Spritze. Wenn sie dennoch durch eine Überdosis gestorben waren, so stellte sich das für Kemal so dar: Die Kommandos des Unbekannten hatten die beiden treuen Freunde gegriffen und

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