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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihnen gewaltsam den Tod in die Armvene gejagt.
    Auch von dort kann diese Falle kommen, dachte Kemal. Er ging bis an die Bordsteinkante und sah Monika mit zusammengekniffenen Augen an, als sie näherkam. Seine rechte Hand hatte er in die Rocktasche vergraben, sie umklammerte eine kleine Pistole. Erst als ihm Monika gegenüberstand, kamen ihm Zweifel. Das ist kein Profi, dachte er verblüfft. Seine Menschenkenntnis hatte sich in den vergangenen zwei Jahren als Basis seines Kapitals erwiesen. Die Kleine hat Angst. Ihre großen blauen Augen sind ein stummer Aufschrei.
    »Was ist denn?« fragte Kemal. »Was heißt hier stehenbleiben?«
    »Ich – ich möchte kaufen …« sagte Monika viel zu laut. Bei den letzten Schritten waren ihr die Füße bleischwer geworden. Jetzt, wo sie ihm gegenüberstand, dachte sie nur an Freddy, der drüben auf der anderen Straßenseite verkrümmt, wimmernd, von Krämpfen geschüttelt, zu sterben glaubte, und dem nur zu helfen war, wenn er das bekam, was er einen Schuß nannte. Mit sicherer Stimme fragte sie: »Was kostet es?«
    »Was?« fragte Kemal abweisend zurück.
    »Sie wissen schon.«
    »Ich weiß gar nichts!«
    »Er braucht einen Schuß …«
    »Mädchen, ich bin kein Waffenhändler!« Kemal lachte. »Du hast an der falschen Hausnummer geklingelt.«
    »Reichen zwanzig Mark? Soviel habe ich noch …«
    Kemal schüttelte den Kopf. Er wurde unsicher. Sein inneres Warnsystem versagte, die Klingel in seinem Hirn schlug nicht an. »Falsch verbunden!« sagte er hart. »Waren 'n paar Cola mit Rum zuviel, was? Leg dich in die Klappe!«
    »Freddy braucht einen Schuß!« sagte Monika laut. »Er war vorhin bei Ihnen, Sie haben ihn aus dem Lokal werfen lassen. Warum haben Sie ihm keinen Kredit gegeben? Freddy ist verloren ohne Schuß, das wissen Sie genau!« Sie griff in ihre Lederjacke, zog ein zierliches Portemonnaie heraus und hielt zwei zerknitterte Geldscheine in die Luft. »Zwanzig Mark!«
    Die beiden Männer im Hintergrund grinsten, das Mädchen kicherte. Kemal – und ein Zwanzigmark-Geschäft! Das war ein Witz, der bald die Runde machen würde. Der erbärmlichste Junkie gab sich mit solcher Lächerlichkeit nicht ab. Ein halber Schuß … und Kemal sollte ihn verkaufen! Auch in dieser Branche gab es noch Humor!
    »Wo ist Freddy?« fragte Kemal, wider Erwarten ruhig.
    »Dort drüben. Der Fleck an der Hauswand! Er wird verrückt! Sie müssen mir etwas geben …«
    »Komm mal näher, ganz nah! So ist's richtig!« Kemal faßte Monika vorn an der Lederjacke und zog sie an sich. Sie machte sich steif, der Mann war ihr widerwärtig, sein Blick hatte etwas Lähmendes, das knochige Gesicht mit der dunkel getönten Haut erinnerte sie an ein Bild, das sie im Buch über ägyptische Geschichte gesehen hatte: Die Mumie des Pharaos Ramses.
    »Woher kennst du Freddy?« fragte Kemal.
    »Ich habe ihn eben erst kennengelernt. Ich hätte ihn beinahe überfahren. Er lag ja auf der Straße.«
    »Und schon besorgst du ihm Stoff?«
    »Er krümmt sich …«
    »Und er hat dir gesagt, daß ich Kemal bin?!«
    Instinktiv spürte Monika die Gefährlichkeit dieser Frage. »Nein!« sagte sie. »Er hat nur gesagt: Da drüben ist Kemal! Aber da gingen ja drei Männer! Aber als ich Kemal rief, sind Sie stehengeblieben. Also müssen Sie Kemal sein.«
    »Scheiße! Und jetzt wirst du jedem erzählen, daß du Kemal getroffen hast!«
    »Wen interessiert das schon?!«
    Diese Antwort traf ins Volle. Kemal blickte Monika ungläubig an, winkte dann nach hinten und zog die beiden Zehnmarkscheine aus Monikas Finger. »Franz, gib ihr für einen halben Schuß.« Dann griff er in Monikas Haare und ließ die blonden Strähnen durch seine Finger rinnen.
    »Ich habe nur Afghanen bei mir«, sagte Franz. »Die kosten …«
    »Den Rest verrechnen wir.«
    »Kemal –«
    »Schnauze!« Er ließ Monikas Haare los und lächelte schwach. »Für alles muß bezahlt werden, auch dafür, daß ein Engel ein Stückchen Hölle kauft!« Er drückte Monika ein kleines Briefkuvert, das Franz ihm gereicht hatte, in die Hand. »Sag Freddy, das ist ein goldener Stoff. 80 Prozent rein! Er versteht das schon. Daraus macht er drei Nadeln. Willst du 'n guten Rat hören?«
    »Von Ihnen?«
    »Den besten für deinen Jahrgang: Gib Freddy das Zeug, steig auf dein Moped und dann ab durch die Mitte. So schnell wie möglich! Ohne umzugucken! Gib Gas und weg! Und vergiß alles! Denk, das hast du nur geträumt. Und komm nicht auf den Gedanken, Freddy zu retten. Der ist nicht

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