Eine bezaubernde Braut
still«, flüsterte er ständig.
Lawrence folgte ihnen, mit Christen auf seinem Arm. Blut floss aus einer Wunde an ihrer Stirn.
»Lawrence, du und Tom nehmt Christen mit zum Bach. Spencer und ich treffen euch dort«, befahl William.
»Komm jetzt sofort mit uns«, bat Lawrence, während Gillian noch immer schrie.
»Dem Kind geht es schlecht. Die Wunde muss genäht werden«, wehrte William ab. »Geh jetzt. Wir werden euch schon einholen. Gott schütze euch«, fügte er noch hinzu und lief weiter.
»Christen«, kreischte Gillian. »Christen, verlass mich nicht.«
Als sie in der Nähe der Tür waren, legte William eine Hand auf Gillians Mund und bat sie inständig, leise zu sein. Er und Spencer brachten sie in die Hütte des Gerbers am Rande des äußeren Schlosshofes, damit Maude, die Frau des Gerbers, die Wunde nähen konnte. Die Unterseite von Gillians Kinn war hässlich aufgerissen.
Beide Soldaten hielten das Kind fest, während Maude ihre Arbeit verrichtete. Der Kampf rückte bedrohlich näher, und der Lärm war so ohrenbetäubend, dass sie schreien mussten, um sich miteinander zu verständigen.
»Beende deine Wundversorgung an dem Kind«, drängte William. »Wir müssen sie in Sicherheit bringen, ehe es zu spät ist. Beeile dich!« Hastig lief er nach draußen, um Wache zu stehen.
Maude machte einen Knoten in den Faden, dann schnitt sie die beiden Enden ab. So schnell sie konnte wickelte sie einen dicken Verband um Gillians Hals und Kinn.
Spencer hob das kleine Mädchen auf den Arm und folgte William nach draußen. Der Feind hatte die mit Stroh gedeckten Hütten mit feurigen Pfeilen in Brand geschossen, und in dem hellen Licht des Feuers liefen die drei zu dem Hügel, auf dem ihre Pferde warteten.
Sie hatten die Hälfte des Weges bereits hinter sich, als ein Trupp Soldaten über den Hügel geschwärmt kam. Andere Feinde schnitten ihnen am Fuß des Hügels den Weg ab. Eine Flucht war unmöglich, aber die beiden tapferen Soldaten standen unverbrüchlich zu ihrer Pflicht. Gillian hatten sie auf den Boden hinter sich gesetzt, um sie mit ihren Körpern zu schützen. Rücken an Rücken, mit erhobenen Schwertern stürzten sie sich in ihre letzte Schlacht. Die beiden Soldaten starben so, wie sie gelebt hatten: Mit Ehre und Mut verteidigten sie die Unschuldigen.
Einer von Alfords Kommandanten, der das Kind erkannt hatte, trug es zurück in die große Halle. Liese, Gillians Zofe, entdeckte sie, als der Soldat mit der Kleinen die Halle betrat. Sie löste sich aus der Gruppe der Bediensteten, die sich in einer Ecke unter den wachsamen Augen des Feindes zusammendrängten. Sie flehte den Soldaten an, sich um das kleine Mädchen kümmern zu dürfen. Glücklicherweise sah der Kommandant Gillian als eine Last an und war froh, sie loszuwerden. Er befahl Liese, Gillian nach oben zu bringen, dann lief er hinaus, um sich erneut ins Kampfgetümmel zu stürzen.
Gillian schien benommen zu sein. Liese packte sie und lief die Treppe hinauf, über den Balkon zum Zimmer des Kindes, um es aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Entsetzt beobachtete sie, wie unten die schwere Eichentür zur großen Halle aufflog und mordlüsterne Soldaten hineinpolterten. Besinnungslos vor Macht schwangen sie ihre Äxte und Schwerter gegen alle Wehrlosen. Die unbewaffneten Männer und Frauen hoben flehentlich die Hände, doch gegen den Blutrausch des Feindes kamen sie nicht an. Ein Unschuldiger nach dem anderen wurde abgeschlachtet. Gelähmt vor Grauen fiel Liese auf die Knie, schloss die Augen und presste die Hände vor die Ohren, damit sie das Massaker an ihren Freunden und ihrer Familie weder hören noch sehen konnte.
Gillian stand bewegungslos neben Liese. Doch als sie sah, wie ihr Vater in die Halle gezerrt wurde, lief sie zum Gitter des Balkons und kniete sich auf den Boden. »Papa«, flüsterte sie sehnsüchtig. Und dann sah sie, wie ein Mann mit einem goldenen Umhang sein Schwert über ihren Vater hielt. »Papa«, schrie sie entsetzt.
Das waren die letzten Worte, die sie sprach. Von diesem Augenblick an zog sich Gillian in eine Welt des Schweigens zurück. Zwei Wochen später rief der Mann, der die Kontrolle über den Besitz ihres Vaters übernommen hatte, Baron Alford der Rote von Lockmiere, sie zu sich, um zu entscheiden, was er mit ihr anfangen sollte. Ohne ein einziges Wort zu sprechen ließ Gillian ihn trotzdem wissen, wie es in ihren Gedanken und in ihrem Herzen aussah.
Liese hielt Gillians Hand, als sie mit ihr in die große Halle
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