Eine bezaubernde Braut
Soldaten, der bei euch war, hat der Frau erzählt, dass du deine Schwester gestoßen hast. Christen ist tot, das weißt du sicher, und es ist alles dein Fehler.« Er beugte sich vor und zeigte mit einem langen, knochigen Finger auf ihr Gesicht. »Du wirst den Rest deines Lebens mit dieser schwarzen Stunde leben müssen, wie kurz dieses Leben auch immer sein mag. Ich habe mich entschieden, dich ans Ende der Welt zu schicken«, fügte er gehässig hinzu. »In den unwirtlichen, kalten Norden von England, wo du bei den Heiden leben wirst, bis der Tag kommt, an dem ich dich wieder brauchen werde. Und jetzt geh mir aus den Augen. Du verursachst mir eine Gänsehaut.«
Zitternd vor Angst fragte Liese: »Mylord, darf ich das Kind nach Norden begleiten, um mich um es zu kümmern?«
Alford wandte seine Aufmerksamkeit der Dienerin zu, die in der Nähe des Eingangs stehen geblieben war. Er zuckte zusammen beim Anblick ihres vernarbten Gesichts. »Eine Hexe, die sich um eine andere Hexe kümmert?«, spottete er. »Mir ist es gleichgültig, ob du gehst oder bleibst. Tu, was du willst, aber schaff sie hier heraus, damit meine Freunde und ich nicht eine Sekunde länger unter ihrem üblen Blick leiden müssen.«
Als Alford hörte, wie seine eigene Stimme zitterte, wurde er noch wütender. Er griff nach einer hölzernen Schale, die auf dem Tisch stand, und warf damit nach dem Kind. Die Schale segelte an Gillians Kopf vorbei und verfehlte sie nur um ein Haar. Gillian zuckte weder zusammen, noch flatterten ihre Augenlider. Sie blieb unbeweglich stehen, nur ihre grünen Augen blitzten vor Hass.
Sah sie ihm bis in seine Seele? Bei dem Gedanken lief Alford ein Schauer über den Rücken.
»Raus«, brüllte er. »Schafft sie hier weg.«
Liese lief vor, um Gillian zu packen, dann rannte sie mit ihr aus dem Saal.
Sobald die beiden draußen in Sicherheit waren, drückte sie das kleine Mädchen an ihre Brust und flüsterte: »Jetzt ist alles vorbei, und wir werden diesen entsetzlichen Ort verlassen und nie wieder zurückschauen. Du wirst den Mörder deines Vaters niemals wieder sehen müssen, und ich brauche meinen Ehemann, Ector, nie wieder zu sehen. Wir beide werden zusammen ein neues Leben beginnen, und wenn Gott will, werden wir Frieden und Freude finden.«
Liese war entschlossen abzureisen, ehe Baron Alford seine Meinung ändern konnte. Die Erlaubnis, Dunhanshire zu verlassen, befreite sie, denn es bedeutete, dass sie auch Ector zurücklassen konnte. Ihr Ehemann war während des Angriffs auf das Schloss irrsinnig geworden. Nachdem er das Abschlachten der meisten Soldaten und der Diener im Haushalt miterlebt hatte und nur knapp mit dem eigenen Leben davongekommen war, hatte er durchgedreht und war so verrückt geworden wie ein tollwütiger Fuchs. Er streifte während der Tage durch die Hügel von Dunhanshire mit einem schmutzigen Tornister, der gefüllt war mit Steinen und Klumpen von Schmutz, die er seine Schätze nannte. In jeder Nacht machte er sich sein Lager in der südöstlichen Ecke der Ställe, wo man ihn allein ließ, damit er seine Albträume wenigstens ungestört durchleiden konnte. Seine Augen hatten einen glasigen, abwesenden Blick, und er murmelte ständig vor sich hin, dass er einmal ein reicher Mann werden würde, so reich wie König Richard selbst. Dann wieder schrie er Obszönitäten, weil es ihm zu lange dauerte, bis er seinen verdienten Lohn bekam. Selbst die Untreuen und ihr Anführer Alford, die jetzt, im Namen des abwesenden Königs, Dunhanshire für sich selbst beanspruchten, waren abergläubisch genug, um Ector gewähren zu lassen. Solange der wahnsinnige Mann sie in Ruhe ließ, ignorierten sie ihn. Einige der jüngeren Soldaten, so hatte man beobachtet, sanken auf die Knie und bekreuzigten sich, wenn Ector vorüberschlurfte. Das heilige Ritual war eine Art Talisman, um die Möglichkeit abzuwehren, von der Krankheit des Verrückten angesteckt zu werden. Sie wagten es nicht, ihn umzubringen, denn sie glaubten fest daran, dass die Dämonen, die Ectors Verstand in ihren Fängen hatten, auf sie übergehen und ihre Gedanken und Taten kontrollieren würden.
Liese hatte das Gefühl, dass Gott ihr einen Dispens von ihren Eheschwüren erteilt hatte. In den sieben Jahren, in denen sie mit Ector als Mann und Frau gelebt hatte, hatte Ector ihr niemals auch nur einen Anflug von Zuneigung gezeigt oder ihr ein freundliches Wort gegönnt. Er glaubte, dass es sein Vorrecht als ihr Ehemann war, sie zu schlagen, damit sie sich
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